Hätte Maria Theresia, Erzherzogin von Österreich und Königin von Ungarn und Böhmen, über moderne Kommunikationstechnik verfügt, hätten sich ihre Kinder mit größter Wahrscheinlichkeit auf ihren Anrufbeantworter verlassen. Die hohe Frau war sehr mitteilsam … Die von allen Seiten stets wohlinformierte „Super-Mum“ in Wien liebte es, ihren Kindern in ausführlicher Weise liebevolle Ratschläge und ernstgemeinte Anweisungen per Brief zu erteilen. Auch deren Ehepartner blieben nicht von ihrem Mitteilungsbedürfnis verschont. Briefe schreiben: ein enormer zeitlicher, in heutigen Augen höchst unwirtschaftlicher Aufwand. Dennoch gelang es der besorgten Mutter, ihre Pflichten als Regentin nicht zu vernachlässigen, im Gegenteil. Auch Erzherzog Ferdinand Karl und seine Frau Maria Beatrice waren häufige Adressaten des (schwieger-)mütterlichen Interesses.

Selbstbewusste Kurfürstin

Maria Antonia. I. Gemahlin / Max Emanuels, Tochter Kaiser Leopold I.“ So lautet eine spätere Bezeichnung auf der Rückseite des Porträts einer in jugendlicher Schönheit dargestellten Fürstin. In ihrer linken Hand hält sie ein Medaillon mit dem Bildnis eines jungen Herrschers. Vergleiche mit den überlieferten Bildnissen Maria Antonias, einziger überlebender Tochter Kaiser Leopolds I., die 1685 den jungen bayerischen Kurfürsten Maximilian II. Emanuel geheiratet hatte, machen schnell deutlich, dass es sich nicht um jene Kurfürstin handeln kann. Um eine Erzherzogin, deren Ehe ausschließlich aus politischem Kalkül und dynastischen Gründen arrangiert wurde, und die sich – mit dem ersehnten Erbprinzen Joseph Ferdinand schwanger – enttäuscht nach Wien zurückzog und dort zwei Monate nach ihrer Niederkunft an Heiligabend 1692 starb.

  • Kunstwerk: Gemälde "Kurfürstin Therese Kunigunde von Bayern", Auktionslos Nr. 58.
  • Künstler: Martin Maingaud (französisch, -1725).
  • Jahr der Herstellung: Ende 17. Jahrhundert.
  • Grösse: 96 x 71 cm.
  • Stil: Realismus.
  • Genre: Portret.
  • Technik: Öl.
  • Материал: Leinwand.
  • Auktionskatalog: Kunst im Exil: Die Wittelsbacher in Sárvár.
  • Versteigerer: Kunstauktionshaus Neumeister, München.

Doch um wen handelt es sich nun bei dem Bildnis der attraktiven, grazil das Bildnis ihres Gatten haltenden Fürstin? Vielleicht um eine der Schwestern des bayerischen Kurfürsten – beide vorteilhaft an die Höfe in Florenz und Versailles verheiratet? Das Miniaturbildnis birgt den Schlüssel: Bei aller Abstraktion in der Darstellung der Physiognomie ist darauf in der Tat der junge Kurfürst Maximilian II. Emanuel von Bayern erkennbar, mit markanter Nase, ausnahmsweise dunkler Perücke, auf der Brust das Kleinod des Ordens vom Goldenen Vlies.

Therese Kunigunde! Wir haben eines der frühen Bildnisse jener polnischen Königstochter vor uns, die uns meist – nach mehreren Schwangerschaften – als eher matronenhafte Fürstin mit rundlichem Gesicht und mütterlichstrengem, leicht schmunzelndem Gesichtsausdruck bekannt ist. Ein Bildnis der jungen Therese Kunigunde mit sehr vergleichbarer Physiognomie findet sich übrigens im polnischen Schloss Wilánov, gefertigt von einem unbekannten Künstler französischer Prägung.

Therese Kunigunde (1676 Krakau–1730 Venedig) wurde als Tochter des polnischen Königs Jan III. Sobieski und seiner Gemahlin Maria Kazimiera (Marie Casimire Louise de la Grange d’Arquien) geboren. Sie erhielt eine sehr gute Erziehung, war ausgesprochen polyglott, von moderierendem Temperament und zurückhaltendem Auftreten. Der früh verwitwete bayerische Kurfürst Max Emanuel war mit Jan III. Sobieski seit 1683, als dieser als Kommandant der alliierten Ersatzheere vor Wien militärischen Ruhm erlangte, bekannt. Was lag für die Mutter Therese Kunigundes also näher, als bereits 1693 in Heiratsverhandlungen mit dem bayerischen Kurfürsten einzutreten? Das Haus Bayern galt im Reich als bedeutend, der Kurprinz Joseph Ferdinand hatte gute Aussichten auf das Erbe des kinderlosen Königs Karl II. von Spanien. Auch Kaiser Leopold I. und der spanische König sprachen sich ausdrücklich für diese Verbindung aus.

Nur der angedachte Bräutigam zierte sich, denn er hatte dynastische Bedenken. Die Wittelsbacher waren eine alte Dynastie, die seit 1180 über Bayern herrschte. In Polen regierte dagegen ein Wahlkönig „von Adels Gnaden“. Max Emanuel fürchtete einen Abstieg seines Hauses in der Rangfolge der Reichsfürsten. Die überaus üppige Mitgift Therese Kunigundes in Höhe von 500.000 Reichstalern konnte ihn schließlich von den Vorteilen dieser Verbindung überzeugen. Einziger Wermutstropfen: Eine Rückzahlungsklausel für den Fall der Kinderlosigkeit der künftigen Ehe …

Der Heiratsvertrag datiert vom 19. Mai 1694, am 22. Oktober des Jahres wurde der von Max Emanuel unterschriebene Vertrag – zusammen mit einem Porträt des Bräutigams – in Warschau übergeben. Das Brautpaar begegnete sich dagegen erst am 30. Dezember 1695 in Wesel, Max Emanuel war seiner Braut bei deren „Heimführung“ aus Brüssel entgegen gereist. Am 2. Januar 1696 erfolgte die persönliche Trauung. Über den mit Eisschollen bedeckten Rhein begleitete der Kurfürst seine junge Braut in die Spanischen Niederlande, die er seit 1692 als Generalstatthalter regierte.

Die Brautleute – wenngleich aus rein politischen und dynastischen Gründen verheiratet – fanden bald Gefallen aneinander: „Wie er mich entzückt! Und er ist sehr gut gelaunt …“ oder „Ich sterbe vor Sehnsucht nach meinem Kurfürsten“: So lauten Passagen aus Briefen Therese Kunigundes noch aus dem Jahre 1695 an ihren Bruder1. Max Emanuel hingegen lobte bereits kurz nach der Trauung in einem Brief an seine Schwiegermutter das sichere Urteilsvermögen und den analytischen Verstand seiner jungen Gemahlin.2 Es scheinen glückliche erste Tage gewesen zu sein, wenn nicht … Ja, wenn Therese Kunigunde sich nur nicht so selbstbewusst gezeigt hätte, ihren von Max Emanuel besetzten Hofstaat durch ihr Verhalten brüskiert, nicht bewusst ihre Muttersprache verwendet und sich nicht allzu gerne mit ihren engsten Vertrauten zurückgezogen hätte. Ganz unsäglich und ohne Vorbild: Die Kurfürstin wünschte bei ihren Ausfahrten keine Begleitung durch ihre Hofdamen! Typische Szenen in einer jungen Ehe, möchte man meinen. Aber man verständigte sich in vielerlei Hinsicht schließlich auf einen gemeinsamen Nenner. Der Ehe entstammten zehn Kinder, darunter der spätere Kurfürst und Kaiser Karl Albrecht (Karl VII.).

Nach Ausbruch des Spanischen Erbfolgekrieges (1701) wurde Therese Kunigunde von ihrem im Exil weilenden Gatten zur Regentin Bayerns ernannt. Nach einer Italienreise wurde der Kurfürstin von den österreichischen Besatzern die Rückkehr nach Bayern verwehrt, die vier ältesten Söhne wurden in österreichischen Gewahrsam genommen. Erst 1715 fand die Wiedervereinigung der jahrelang getrennten Familie in Schloss Lichtenberg am Lech statt. Als Witwe zog sich Therese Kunigunde nach Max Emanuels Tod im Jahre 1726 nach Venedig zurück, wo sie 1730 verstarb.

Das vorliegende Gemälde sollte aufgrund der Jugendlichkeit der Fürstin in der Zeit der Eheschließung mit Kurfürst Max Emanuel entstanden sein. Die Tatsache, dass sie ein Miniaturbildnis desselben in der Hand hält, verweist auf einen Entstehungszeitpunkt als beide räumlich getrennt waren – ein Leitthema ihrer Ehe. Als Ursache der Abwesenheit kann eines der militärischen Engagements Max Emanuels an der Seite der Alliierten im Kampf gegen die französischen Truppen vermutet werden (z. B. 1695 die Wiedereroberung von Namur). 1699 schuf Martin Maingaud ein stilistisch verwandtes Porträt Therese Kunigundes als Venus (Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Inv.-Nr. 2478), das die Kurfürstin mit sehr vergleichbarer, jedoch etwas reiferer Physiognomie wiedergibt.

Ein tapferer Soldat

In der Werkstatt des Künstlers Georges Desmarées (1697 Gimo – 1776 München) wiederum entstand ein weiteres Porträt dieser Sonderauktion. Es zeigt Herzog Ferdinand Maria Innozenz von Bayern (1699 Brüssel – 1738 München). Er war einer der Söhne Kurfürst Max Emanuels von Bayern und Therese Kunigundes. Einen Teil seiner Kindheit verbrachte er fern der Heimat und getrennt von seinen Eltern ab 1706 in Klagenfurt, wo er unter kaiserlicher Aufsicht erzogen wurde. 1715 erfolgte das Wiedersehen mit den Eltern und der Familie, 1717 nahm er zusammen mit seinem Bruder, dem Kurprinzen Karl Albrecht, an der Belagerung und Eroberung Belgrads durch Prinz Eugen von Savoyen teil. Ferdinand Maria Innozenz galt als befähigter und tapferer Soldat und war damit seinem Vater nicht unähnlich. Von den Zeitgenossen wurde behauptet, dass er sich von seinen Brüdern am besten zum Militärdienst eignete. In der kaiserlichen Armee stieg Ferdinand Maria Innozenz bis zum Feldmarschall auf.

Gemälde "Herzog Ferdinand Maria Innozenz von Bayern", 18 Jahrhundert

  • Kunstwerk: Gemälde "Herzog Ferdinand Maria Innozenz von Bayern", Auktionslos Nr. 59.
  • Künstler: Georges Desmarées (1697 Gimo, Schweden - 1776 München).
  • Jahr der Herstellung: 18. Jahrhundert.
  • Grösse: 118,5 x 82,5 cm.
  • Stil: Realismus.
  • Genre: Portret.
  • Technik: Öl.
  • Материал: Leinwand.
  • Auktionskatalog: Kunst im Exil: Die Wittelsbacher in Sárvár.
  • Versteigerer: Kunstauktionshaus Neumeister, München.

Die Eheschließung mit Maria Anna Karoline von Pfalz-Neuburg sollte sich für seinen zweitgeborenen Sohn Clemens Franz von Paula und das Haus Wittelsbach grundsätzlich als sehr wichtig erweisen: Der von deren Großvater, dem 1689 verstorbenen letzten Herzog von Sachsen-Lauenburg, ererbte große böhmische Grundbesitz ging 1751 an Clemens Franz de Paula über, der daraus das Clementinische Fideikommiss gründete – eine unveräußerliche Vermögensmasse, die stets dem zweitgeborenen Prinzen des regierenden Kurfürsten oder Königs einen standesgemäßen Lebensunterhalt sicherte. Erst 1930 wurde dieses nach dem Tod des Prinzen Leopold von Bayern aufgelöst und unter den Prinzen des Hauses Wittelsbach aufgeteilt.

  • Kunstwerk: Gemälde "Ferdinand Karl von Österreich-Este", Auktionslos Nr. 61.
  • Künstler: Joseph Hickel (1736 Leipa, Böhmen - 1807 Wien), zugeschrieben.
  • Jahr der Herstellung: 18. Jahrhundert.
  • Grösse: 150 x 123 cm.
  • Stil: Realismus.
  • Genre: Portret.
  • Technik: Öl.
  • Материал: Leinwand.
  • Auktionskatalog: Kunst im Exil: Die Wittelsbacher in Sárvár.
  • Versteigerer: Kunstauktionshaus Neumeister, München.

Gemälde "Maria Beatrice von Österreich-Este", 18. Jahrhundert

  • Kunstwerk: Gemälde "Maria Beatrice von Österreich-Este", Auktionslos Nr. 62.
  • Künstler: Joseph Hickel (1736 Leipa, Böhmen - 1807 Wien), zugeschrieben.
  • Jahr der Herstellung: 18. Jahrhundert.
  • Grösse: 150 x 123 cm.
  • Stil: Realismus.
  • Genre: Portret.
  • Technik: Öl.
  • Материал: Leinwand.
  • Auktionskatalog: Kunst im Exil: Die Wittelsbacher in Sárvár.
  • Versteigerer: Kunstauktionshaus Neumeister, München.

Taten statt schöner Worte

Erzherzog Ferdinand Karl von Habsburg-Lothringen wurde als 14. Kind Maria Theresias und Kaiser Franz I. Stephan 1754 in Wien geboren. Er war Generalgouverneur der Lombardei und Begründer des Hauses Österreich-Este. Als eines der jüngsten Kinder Maria Theresias konnte er eine relativ unbeschwerte Kindheit verleben. Von einer dennoch durchaus geplanten und kontrollierten Erziehung in Hinblick auf seine künftigen Aufgaben zeugen unter anderem die „Institutionis archiducalis Ferdinandae opus pictum in tres tomos divisum“, 1769 für den heranwachsenden Erzherzog verfasst und illustriert. Es handelt sich dabei um zehn Lehrtafeln verschiedener Unterrichtsfächer (Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Handschriftensammlung, Cod. min. 33 a). Ebenfalls 1769 gab Maria Theresia ihrem Sohn folgende Lebensmaxime mit auf seinen künftigen Weg: „Schöne Worte und Versicherungen überzeugen nicht, sondern allein die Taten. Ich beobachte Euch aus der Nähe und sehe Schlendrian und Verweichlichung, wenig Ehrfurcht, gar keinen Gehorsam, hingegen Dünkel und Vorurteile, wozu ihr weniger Veranlassung habt als irgend ein anderer in der Familie und was mich für Eure Zukunft bangen läßt. Sehet zu, mich vom Gegenteil zu überzeugen, dann könnt ihr auf meine Zufriedenheit und Liebe rechnen.“3 Und wenig später kritisiert Maria Theresia seine Nachlässigkeit bezüglich seiner Studien, der Heranwachsende scheint jedoch gegen mütterliche Ratschläge resistent gewesen zu sein. Er wird als leichtsinnig, vergnügungssüchtig, willensschwach und arbeitsscheu beschrieben.

Zu dem Zeitpunkt, als seine Mutter mit ihm so deutlich ins Gericht ging, war Erzherzog Ferdinand Karl bereits verlobt: Er sollte die einzige Tochter des Herzogs von Modena, Maria Beatrice d’Este, heiraten. Diese galt als sehr begehrte Partie, war doch das Herzogtum Modena reich und geographisch günstig gelegen. Anders als ihren eigenen Sohn schätzte Maria Theresia ihre spätere Schwiegertochter sehr. Regelmäßig informierte sie Maria Beatrice – bereits deutlich vor der Heirat – über nicht nur familiäre Begebenheiten und bezeichnete sie in ihrer Korrespondenz als „liebe Tochter“.

Die lange vorbereitete Hochzeit fand am 15. Oktober 1771 in Mailand statt. Die Mutter des Bräutigams geizte abermals nicht mit (wohlgemeintem) Rat: „Ich hoffe, daß die Gemahlin, die Gott Euch bestimmt hat, Euch gefällt, wie Ihr ja hier [in Wien] schon ein bißchen in sie verliebt wart. Schämet Euch dieser Schwäche nicht, es ist die einzige, die ich Euch wünsche …“ – gefolgt von der Aufforderung, verbindlicher zu wirken, Abstand zu nehmen von dem „verbissene[n] Gesicht, das ich nicht leiden kann und das Euch gar nicht steht“.4 Liebevoll hingegen die Glückwünsche der Schwiegermutter an die junge Braut in einem separaten Schreiben …

Anlässlich der Eheschließung komponierte der erst 15-jährige Wolfgang Amadeus Mozart (er war lediglich zwei Jahre jünger als der Bräutigam) seine Oper „Ascanio in Alba“, die zwei Tage nach der Hochzeit im Teatro Ducale in Mailand uraufgeführt wurde. Die Hochzeitsfeierlichkeiten dauerten ganze zwei Wochen, es gab zahlreiche Opernaufführungen, Konzerte, einen Korso, Volksfeste sowie Pferde- und Wagenrennen. Ferdinand Karl war von Mozarts Oper derart angetan, dass er ihn in seine Dienste nehmen wollte und bei Maria Theresia dafür um Erlaubnis bat. Umgehend kommt die ernüchternde Reaktion aus Wien: „Ich wüßte nicht warum und glaube nicht, daß Sie einen Komponisten oder solche unnützen Leute brauchen.“5

Residenz des Paares war ab 1776 die Königliche Villa in Monza. Die aus politischem Kalkül geschlossene Ehe sollte glücklich werden. Ferdinand Karl und Maria Beatrice scheinen sich harmonisch ergänzt zu haben. Während der Erzherzog seinen Vorlieben nachging, übernahm die Gattin, die ihn sicherlich an Intelligenz und Klugheit übertraf, nicht nur die Erziehung der Kinder (sie unterrichtete sie bisweilen sogar selbst), sondern auch die organisatorischen Aufgaben der „Hausfrau“. „Beatrix liebt und liest stets gute Bücher. Nehmt sie Euch zum Vorbild und setzet eine Stunde täglich dafür fest …“, musste Ferdinand Karl von seiner Mutter lesen, zumal er seine freie Zeit doch viel lieber mit seinen neu angeschafften Hunden verbrachte.6 Bezeichnend für die Lesefreude Maria Beatrices ist, dass sie auf dem zur Auktion gelangenden Bildnis bei der Lektüre dargestellt ist.

Aus der Verbindung gingen neun Kinder hervor, darunter auch Maria Leopoldine, die mit dem 52 Jahre älteren Kurfürsten Karl Theodor von Pfalz-Bayern vermählt wurde und die nach dessen Tod ein unkonventionelles und ungezwungenes Leben zu führen begann. Noch am Totenbett Karl Theodors konnte die selbstbewusste Habsburgerin verhindern, dass der sterbende Kurfürst seinen lange gehegten Plan in die Tat umsetzte und das von ihm nur wenig geschätzte Kurfürstentum Bayern gegen die Österreichischen Niederlande eintauschte. Die kecke Erzherzogin rettete somit dem Haus Wittelsbach Territorium und Krone. 1780 wurde Erzherzog Ferdinand Karl Statthalter der Lombardei. Aus Wien wurden Reformen in allen Lebensbereichen gesteuert, der politische Einfluss des Statthalters selbst war marginal. Napoleons Marsch auf Mailand erzwang am 9. Mai 1796 die überstürzte Abreise der Familie. Tags darauf zog der Korse mit seinen Truppen in Mailand ein. Für die herzogliche Familie folgten kurze Aufenthalte in Triest und Brünn. Die Erzherzogin ließ sich schließlich mit einem Teil der Kinder in Wiener Neustadt nieder, Ferdinand Karl nahm mit seinen älteren Söhnen Residenz im Schloss Belvedere in Wien. Nach dem Tod seines Schwiegervaters, Ercole III. d’Este, im Jahre 1803 erbte Ferdinand Karl zwar auch für seine Gattin die Ansprüche auf dessen Herzogtümer, es kam jedoch zu keiner rechtlichen Durchsetzung.

Am Weihnachtstag 1806 starb Erzherzog Ferdinand Karl im 52. Lebensjahr an der Brustwassersucht, Maria Beatrice sollte ihn um 23 Jahre überleben. Als ihre jüngste Tochter Maria Ludovica am 6. Januar 1808 Franz II. heiratete, avancierte sie zur Schwiegermutter des österreichischen Kaisers. In Folge des Wiener Kongresses erhielt sie ihr Herzogtum Massa-Carrara zurück, gelegentlich führten sie ihre Reisen in ihre Heimat zurück.

Erzherzog Franz V. von Österreich-Este (1819–1875), der Enkel Ferdinand Karls und Maria Beatrices sollte 1842 Prinzessin Adelgunde von Bayern heiraten. Deren Brautbildnis von der Hand Joseph Stielers wird ebenfalls im Rahmen dieser Auktion angeboten.

Königstochter Adelgunde Prinzessin von Bayern

Im Laufe des 19. Jahrhunderts setzte sich eine inzwischen jahrhundertealte Tradition fort: Mitglieder der Familien der Habsburger und der Wittelsbacher schlossen die Ehe. Zu einer der berühmtesten Liebesheiraten sollte – zumindest in den Augen der Nachwelt – die Hochzeit des österreichischen Kaisers Franz Joseph I. mit Prinzessin Elisabeth in Bayern („Sisi“) werden.

Bereits Elisabeths Tante und Schwiegermutter, Prinzessin Sophie von Bayern, hatte „nach Wien“ geheiratet (Franz Karl Erzherzog von Österreich), Elisabeths Tochter Gisela wiederum sollte sich 1873 mit dem bayerischen Prinzen Leopold vermählen und somit zur Schwägerin König Ludwigs III. von Bayern werden. Die bayerischen Prinzessinnen Adelgunde und Hildegard festigten diese familiären Bande zusätzlich. Im Rahmen unserer Sonderauktion werden Porträts beider Prinzessinnen im Jahr ihrer Heirat zur Versteigerung gelangen. Wie auch die Bildnisse ihres Großvaters und ihrer Großmutter aus dem Jahre 1823 wurden sie vom bayerischen Hofmaler Joseph Stieler geschaffen. Dieser Künstler war der Familie als Porträtmaler durch drei Generationen verbunden und schuf von den Mitgliedern der königlichen Familie in ihrer künstlerischen Qualität einzigartige Bildnisse. Aber nicht der Singuläre ästhetisch Wert der beiden Prinzessinnenbildnisse soll im Folgenden besprochen, vielmehr versucht werden, die hinter den Bildnissen sich verbergenden Biographien herauszustellen.

  • Kunstwerk: Gemälde "Adelgunde Prinzessin von Bayern als Braut", Auktionslos Nr. 65.
  • Künstler: Joseph Stieler (1781 Mainz - 1858 München).
  • Jahr der Herstellung: 1842.
  • Grösse: 72,5 x 58,5 cm.
  • Stil: Realismus.
  • Genre: Portret.
  • Technik: Öl.
  • Материал: Leinwand.
  • Auktionskatalog: Kunst im Exil: Die Wittelsbacher in Sárvár.
  • Versteigerer: Kunstauktionshaus Neumeister, München.

Das 19. Jahrhundert gilt als wichtigste Epoche der Entwicklung der Presse, zahlreiche Tageszeitungen, vor allem auch lokale Blätter, wurden neu gegründet.

Und in deren Nachrichten wurde auch immer das Neueste „vom Hof“ mitgeteilt, seien es nur der Aufbruch der hohen Herrschaften zu Reisen ins Ausland oder die glückliche Rückkehr von einer solchen. Nicht anders als in der Gegenwart war bereits damals berichtenswert und von der Leserschaft als Information offenbar gewünscht, mit welcher Menge von Gepäck und welcher Entourage man zu reisen beabsichtigte ... Wichtigen Ereignissen im Leben der königlichen Familie wurden selbstverständlich ausführlichere Beiträge gewidmet – und Ausschnitte aus diesen geben im Folgenden Einblick in die Biographien der beiden Prinzessinnen. Adelgunde Auguste Charlotte Prinzessin von Bayern (1823 Würzburg–1914 München) war das sechste Kind König Ludwigs I. von Bayern und seiner Gemahlin Therese, geb. Prinzessin von Sachsen-Hildburghausen. 1842 wurde sie mit dem Erbprinzen Franz von Modena verheiratet, sie war damit eine Tante von Königin Marie Therese von Bayern, der Gemahlin König Ludwigs III. von Bayern. Prinzessin Adelgunde („Duni“ ) wurde streng katholisch erzogen. Sie scheint eine vorbildliche Schülerin gewesen zu sein: „Die kleine Prinzessin Adelgunde (jetzige Herzogin-Wittwe von Modena) liebte ihre Puppen besonders zärtlich. Eines Tages, so erzählte uns der sel. Professor H., war sie eben wieder beschäftigt, die eine Puppe zu frisiren, indeß die andere gewickelt auf ihren Knien lag, vermuthlich um in die Wiege gebracht zu werden, als der Professor in das Zimmer der Prinzessinen trat. So angelegentlich aber auch ihr Spiel scheinen, so sehr beschäftigt das königliche Kind sein mochte, – ihren lieben Lehrer sehen, die Puppen weglegen, ihm mit offenen Armen und freundlichem Gruße entgegen eilen, war das Werk eine Augenblicks und im nächsten Momente schon sah man die wohlerzogene Königstochter ernst und fleißig bei ihren Büchern und Heften, mit Aufmerksamkeit dem Vortrage ihres geliebten Lehrers lauschen.“ (Katholische Schulzeitung [Bayerische Schulzeitung] – Monika. Nr. 28. Donauwörth 12.7.1876, S. 110).

Im heiratsfähigen Alter angekommen, gab es für Prinzessin Adelgunde Ehekandidaten aus Frankreich, Coburg und Nassau. Die Entscheidung fiel jedoch zugunsten des Erbprinzen Franz von Modena, Neffe der Witwe des bayerischen Kurfürsten Karl Theodor, Maria Leopoldine. Die Hochzeit im Jahre 1842 war ein glänzendes gesellschaftliches Ereignis. Der Erbprinz folgte seinem Vater 1846 als Franz V. Herzog von Modena nach, musste jedoch bereits 1859 im Zuge der italienischen Einigung seine Herrschaft abgeben. Mit seinem Tod im Jahre 1875 starb die Linie Modena-Este aus.

Die Aufteilung des Erbes nach Herzog Franz V. wurde in mehreren Tageszeitungen bekanntgegeben. „[…] Die Wittwe des Herzogs Franz, Herzogin Adelgunde, Tochter Königs Ludwig I. von Bayern [= Marie Therese], erhält außer den ihr im Ehevertrag zugesicherten Einkünften noch 250.000 fl. baar. Des Herzogs Nichte I. K. H. Prinzessin Ludwig von Bayern, erhält die Güter ihres am 15. Dez. 1849 verstorbenen Vaters.“ (Freisinger Tagblatt. 4. Dezember 1875, S. 2) Unter die erwähnten Güter, welche die spätere bayerische Königin Marie Therese erbte, fiel auch das Schloss Nádasdy in Sárvár, das sich zu einem Schicksalsort der Wittelsbacher entwickeln sollte.

Herzogin Adelgunde lebte abwechselnd im Palais Modena in Wien, in der Münchner Residenz und in Schloss Wildenwart im Chiemgau. 1886 übernahm ihr Bruder Prinz Luitpold die Regentschaft in Bayern. Beide waren unzertrennlich, „Tante Modena“ unterstützte ihren Bruder bei familiären und gesellschaftlichen Verpflichtungen, galt als eine der wichtigsten – und gefürchtetsten – Personen der konservativ-kirchlichen Hofpartei und verkörperte den Einfluss des Wiener Hofes in München.

Dem Leben und vor allem dem offenbar bis in hohe Alter vorbildlichen Charakter der Herzogin widmete der „Rosenheimer Anzeiger“ am 19. März 1903, dem 80. Geburtstag Adelgundes, wohlwollendste Ausführungen: „Die edle, hohe Jubilarin, die herzensgütige Frau Herzogin, welche abwechselnd in München oder auf Schloß Wildenwart bei Prien-Aschau bzw. Schloß Berchtesgaden lebt, verknüpft ein tiefinniges Freundschaftsverhältnis mit ihrem königlichen Bruder, „Ihrem Poltl“, wie die hohe Frau in intimem Kreise zu sagen pflegt, dem vielgeliebten Prinz-Regenten, dessen vollste Vertraute und treueste Gefährtin die um zwei Jahre jüngere Herzogin, „Seine Gundel“, ist. […] Es ist keine Schmeichelei, wenn man behauptet, daß die Herzogin Adelgunde von Modena eine der edelsten und bedeutendsten Fürstinnen ist, von denen die Geschichte der Wittelsbacher zu erzählen weiß. / Ein vornehm- freier, allen menschlichen Bestrebungen lebhaft zugewandter Sinn, eine reiche, edle Bildung, ein hohes, stolzes, jedoch mit einer seltenen Tiefe des Gemütes gepaartes Selbstbewußtsein zeichnet die Herzogin Adelgunde von Modena vor den meisten Frauen auf Fürstenthronen aus. Ihr ganzes Leben gibt ein Bild unzerstörbarer segensreicher Wirksamkeit. Not zu lindern, Hilfe und Trost den Leidenden, Schwachen und Armen zu bringen, das bildet eine Lebensaufgabe der hohen Frau, welche die „vertraute, liebevolle Tante“ des ganzen königlichen Hauses, das Vorbild weiblicher Tugenden für das ganze Land ist. […] Mit ihrem Lieblingsbruder bringt sie den Rest des irdischen Daseins in vollster Schwestertreue zu und außerdem obliegt die Herzogin ausschließlich dem Edlen Samriterdienste. / Ihr Wahlspruch „Adel sitzt im Gemüte, nicht im Geblüte“ hat durch die große Barmherzigkeitsausübung in ganz Bayern und Österreich zur innigen Dankbarkeit verpflichtet.“ Wer wünschte sich nicht, von den Zeitgenossen solche Kränze gewunden zu bekommen?

Hildegard Prinzessin von Bayern

Am 15. April 1844 heiraten in Florenz Prinz Luitpold von Bayern, späterer Prinzregent, und Erzherzogin Auguste Ferdinande von Österreich. Und am 1. Mai des Jahres folgt in München die Vermählung von Prinzessin Hildegard von Bayern, Luitpolds Schwester, mit Erzherzog Albrecht von Österreich. In München finden gemeinsame Feierlichkeiten zu Ehren der beiden Brautpaare statt. „Der Bayerische Eilbote“ veröffentlicht in seiner Ausgabe vom 1. Mai 1844 ein Gedicht anlässlich der Doppelhochzeit:

Gemälde "Prinzessin Hildegard von Bayern", 1844

  • Kunstwerk: Gemälde "Prinzessin Hildegard von Bayern", Auktionslos Nr. 66.
  • Künstler: Joseph Stieler (1781 Mainz - 1858 München).
  • Jahr der Herstellung: 1844.
  • Grösse: 70,5 x 59,5 cm.
  • Stil: Realismus.
  • Genre: Portret.
  • Technik: Öl.
  • Материал: Leinwand.
  • Auktionskatalog: Kunst im Exil: Die Wittelsbacher in Sárvár.
  • Versteigerer: Kunstauktionshaus Neumeister, München.

Diese Zeilen beinhalten die wichtigsten Elemente fürstlicher Heiratspolitik auch noch im 19. Jahrhundert. Im glücklichsten Falle aus Liebe wird die Verbindung zweier alter Fürstenhäuser erneuert und gestärkt. Der Stammbaum und Liebreiz der Braut ist nicht zu vernachlässigen, gloriose Taten in der Familie des mindestens ebenbürtigen Ehepartners sind willkommen ... Die bayerische Prinzessin Hildegard überzeugte offenbar nicht nur ihren Bräutigam: Es wird berichtet, dass der spätere Kaiser Franz Joseph I. in seinem Tagebuch notiert habe: „Sie gefiel mir gut, sie ist hübsch, hat zu dicke Wangen, eine sehr hübsche Gestalt, ist recht aimable [...]“ – eine klare Stellungnahme des gerade einmal 14-jährigen Erzherzogs, der 1854 Hildegards Cousine Elisabeth, die wegen ihrer Schönheit gerühmte, jedoch nicht minder komplizierte, „Sisi“ heiraten sollte.

Joseph Stielers Bildnis Prinzessin Hildegards, das Porträt „mit Locken“, entstand zu Beginn des Jahres 1844, dem Jahr der Vermählung mit Albrecht Friedrich Rudolf Erzherzog von Österreich (1817 Wien–1895 Schloss Arco / Italien). Hildegard Louise Charlotte Prinzessin von Bayern war das siebte Kind König Ludwigs I. von Bayern und seiner Gemahlin Therese, geb. Prinzessin von Sachsen-Hildburghausen. Mit nur 39 Jahren starb Erzherzogin Hildegard an den Folgen einer Rippenfellentzündung, die sie sich während einer anstrengenden Reise an das Sterbebett ihres Bruders, des bayerischen Königs Maximilian II., zugezogen hatte. Noch einmal soll die damalige Tagespresse zitiert werden:

„Die Frauenwelt hat eine ihrer schönsten Zierden verloren. Eine im hohen Grade sympathische Individualität, vereint mit Einfachheit, Wohlthätigkeitssinn und unvergleichlichen Tugenden als Hausfrau und Mutter haben der erhabenen Hingeschiedenen stets das Herz der Bevölkerung gewonnen [...]“

Die Neue Zeit – Olmüzer Zeitung, 6. April 1864).

Literatur:

  • 1 Aus Briefen Therese Kunigundes an Alexander Sobieski, 17.2.1695 bzw. 20.6.1695. Zitiert nach: Kruedener, Claudia, Kurfürstin Therese Kunigunde von Bayern (1676–1730) und ihre Friedenspolitik in europäischen Dimensionen zwischen Papst und Kaiser. Regensburg 2020, S. 98, Anm. 495 und 496.
  • 2 Ebda., S. 103, Anm. 519. Brief Max Emanuels an seine Schwiegermutter Maria Casimira, 27.1.1696.
  • 3 Zitiert nach Weissensteiner, Friedrich, Die Söhne Maria Theresias. Wien 2004, S. 169.
  • 4 Zitiert nach Weissensteiner, op. cit., S. 173–175.
  • 5 Zitiert nach Weissensteiner, op.cit., S. 176.
  • 6 Zitiert nach Weissensteiner, op.cit., S. 187.

Autor: Kunstauktionshaus Neumeister, München

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