August Gaul. Zwei Pinguine

Los 1194
17.05.2024 18:00UTC +01:00
Classic
Verkauft
€ 9 525
AuctioneerVAN HAM Kunstauktionen GmbH
VeranstaltungsortDeutschland, Köln
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ID 1208177
Los 1194 | August Gaul. Zwei Pinguine
Schätzwert
€ 4 000 – 6 000
GAUL, AUGUST
1869 Großauheim - 1921 Berlin


Titel: Zwei Pinguine.
Datierung: Um 1911.
Technik: Bronze, dunkelbraun patiniert und teilweise vergoldet.
Maße: 15,5 x 17 x 9,5cm.
Bezeichnung: Bezeichnet auf der Plinthe: "A. Gaul".
Sockel.

Literatur:
J. Gabler: August Gaul. Das Werkverzeichnis der Skulpturen, Berlin 2007, S. 149,
Nr. 155-1.

Provenienz:
Sammlung des Berliner Archäologen Theodor Wiegand (1864-1936);
seitdem in Familienbesitz.

"Ich will gar nicht die Natur pedantisch imitieren, sondern das Typische und ihren seelischen Kern festhalten.... Ich mache Tiere, weil es mich freut."

Diese Worte stammen von August Gaul, einem der einflussreichsten Bildhauer der Jahrhundertwende und Wegbereiter der modernen Skulptur des 20. Jahrhunderts.
Der Künstler widmete sich fast ausschließlich der Darstellung von Tieren, wobei er diese aus einem größeren Bedeutungszusammenhang herauslöste und als autonome Lebewesen bildwürdig machte. Wild- und Haustiere, die er in Stein, Bronze oder Porzellan fertigte, versinnbildlichten bei ihm nicht länger menschliche Eigenschaften, sondern wurden um ihrer selbst willen zum Zentrum der Aufmerksamkeit.

Im 19. Jahrhundert war im Bildungsbürgertum das Interesse an Zoologie stetig gewachsen. In den größeren Städten wurden Tiergärten und Zoos gegründet, die zunächst vorrangig wissenschaftlichen Erkenntnissen dienen sollten, aber im Laufe der Zeit auch einem bürgerlichen Publikum zur Anschauung und Erholung dienten. Alfred Edmund Brehm schrieb sein ungemein erfolgreiches und auflagenstarkes "Tierleben", das in der zweiten Auflage in den 1870er Jahren umfangreich und beeindruckend illustriert wurde.

Vor diesem Hintergrund machte sich August Gaul, der aus der Provinzstadt Großauheim bei Hanau stammende Sohn eines Steinmetzes 1888 auf in die Metropole Berlin. In der Werkstatt seines Vaters hatte er ebenso Erfahrung gesammelt wie während seiner Ausbildung zum Modelleur und Ziseleur in einem Silber verarbeitenden Betrieb und in der Hanauer Zeichenakademie. In Berlin arbeitete Gaul zunächst, seiner Ausbildung entsprechend, kunstgewerblich und als Bildhauer-Gehilfe. Etwa 1892 nahm er das Studium an der Kunstakademie auf, wo er Schüler des Tiermalers Paul Meyerheim wurde.
Denn Gauls künstlerisches Interesse war bereits auf Tiere fokussiert, seit er 1890 bei einer Verlosung eine Jahresfreikarte für den Berliner Tiergarten gewonnen hatte; hier fand er Modelle im Überfluss.

Bereits 1895 wurde August Gaul Meisterschüler des in Berlin führenden Bildhauers Reinhold Begas. Ein von der Akademie ausgeschriebener Wettbewerb, den Gaul gewann, wurde mit einem Stipendium für einen einjährigen Aufenthalt in Rom 1897/98 belohnt. Die dortigen Eindrücke, wohl besonders auch der Kontakt zu dem etwas älteren Begas-Schüler Louis Tuaillon hatten nachhaltigen Einfluss auf August Gauls Schaffen. Er entfernte sich vom neo-barocken Stil seiner Lehrer zu Gunsten einer schlichten, geschlossenen Form.

Nach seiner Rückkehr nach Berlin war August Gaul, ebenso wie Louis Tuaillon 1898 Gründungsmitglied der Berliner Sezession, die die Abkehr von der akademischen Kunstauffassung propagierte. In diesem Kreis um Max Liebermann und Walter Leistikow ergab sich eine enge Zusammenarbeit mit Paul Cassirer. Der bestens vernetzte Galerist und Sekretär der Sezession wurde zu einem engen Freund August Gauls. Cassirer bot dem Künstler ein geregeltes Einkommen und die Vorfinanzierung der aufwändigen Materialien und Guss-Kosten, dafür bekam die Galerie das exklusive Vertretungs-Recht des Künstlers. Diese äußerst fruchtbare Zusammenarbeit öffnete August Gaul den Zugang zu neuen privaten Sammlerkreisen und zu wichtigen Museumskontakten. So kaufte Alfred Lichtwark 1906 für die Hamburger Kunsthalle neun Tierskulpturen Gauls.
1908 wurde August Gaul Professor an der Berliner Akademie der Künste und prägte jüngere Bildhauer mit seinem Stil. Auch Gerhard Marcks und Georg Kolbe suchten seinen Rat. Mit seiner progressiven Kunstauffassung unterstützte er Ernst Barlach und die Ankaufskommission der Berliner Nationalgalerie konnte der "Tier-Spezialist" mit seinem positiven Urteil über Franz Marc überzeugen.

Einige Tierarten, die ihren Lebensraum am Wasser haben, boten August Gaul die Möglichkeit, sie entweder autonom oder im Zusammenhang mit einer Brunnenanlage einzusetzen. So sind von der in diesem Katalog versammelten "Menagerie" die Pinguine (Lot 1194), die Biber (Lot 1195) und die Schwäne (Lot 1198 und 1199) in einem solchen Entwurf-Zusammenhang zu sehen. Sowohl bei Privatsammlern als auch bei öffentlichen Auftraggebern hatte August Gaul mit seinen Brunnen großen Erfolg. Beispiele für seine Praxis, die autonome Tierplastik mit der angewandten Kunst im öffentlichen Raum harmonisch zu verschmelzen, sind bis heute der Enten- und Schwanenkükenbrunnen in Berlin und der Pinguinbrunnen in Hamburg.

Gauls Ausbildung und Fähigkeiten als Kunsthandwerker blitzen auch im Einsatz partieller Vergoldung seiner Bronzeskulpturen auf. Das Federkleid der Pinguine und auch die so hervorgehobenen Zähne der Biber zeigen, dass Gaul kein Purist war. Seine Bronzen durften durch etwas "Schmuck" bereichert werden.

August Gaul vermochte es grandios, die von ihm bearbeiteten Materialien mit den dargestellten Tieren in optischen Einklang zu bringen. Dabei kann man teilweise eine zwar summarische, aber dennoch eindeutig lesbare Oberflächenbehandlung beobachten, die dem Betrachter die Textur des Biberfells oder des Schwanengefieders vermittelt. Andere Skulpturen sind weniger haptisch angelegt. Das schreitende Reh (Lot 1197) verkörpert eher "die Idee eines Rehes", die über die Silhouette erfahrbar wird. Das mag auch darin begründet sein, dass diese Skulptur aus der Planung für ein Denkmal hervorgegangen ist.

Der Hamster (Lot 1196) - ein kleiner Antipode aus Kriegszeiten zum Berliner Bär - ist Beweis für den Humor August Gauls. Die 1917 in Eisen gefertigte Skulptur nimmt auch inhaltlich eine gewisse Sonderstellung in Gauls Werk ein. Der kleine Nager personifiziert das Durchhaltevermögen der Bevölkerung, die mit Hamsterkäufen die Kriegs-Entbehrungen meistern mussten.

Die Freude August Gauls an der künstlerischen Darstellung seiner Modelle ist immer spürbar und überträgt sich bis heute auf ihr Publikum.

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