ID 136567
Los 1 | Der Buchleser
Schätzwert
€ 40 000 – 60 000
Wohl eines von 31 nicht nummerierten Exemplaren, die seit 1939 gegossen wurden.
Provenienz:
- Galerie Wilhelm Grosshennig, Düsseldorf
- Aral AG, Bochum (ab 1970)
- Privatsammlung Süddeutschland
Literatur:
- Laur, Elisabeth: Ernst Barlach - Werkverzeichnis II, Das plastische Werk, Güstrow 2006, WVZ.-Nr. 600, 2
In seinen vielschichtigen, stillen und zugleich vitalen Skulpturen beschäftigt sich Ernst Barlach nahezu ausschließlich mit der menschlichen Figur. Sie ist ihm Ausdrucksträger für eine symbolhaft überhöhte Darstellung existenzieller, oft leidvoller Gefühle und Zustände. Zu Beginn inspirieren ihn hierzu der Jugendstil und vor allem die Werke von Alfred Kubin und Edvard Munch. Doch während einer erlebnisvollen Reise durch Russland 1906 entdeckt er das Metaphysische und Geheimnisvolle im Alltäglichen für sich und wagt einen Neuanfang. Er löst seine Figuren aus dem gesellschaftlichen Kontext und verdichtet sie zu einem allgemeingültigen Sinnbild für das menschliche Dasein.
Die geschlossene Statuarik seiner Plastiken ist der Inbegriff seines Ausdrucks nach Erdverbundenheit und Wirklichkeitsnähe, in Abgrenzung zu dem idealisierten Menschenbild in der Kunst seiner Vorgängergenerationen. In seiner künstlerischen Gestaltung gelangen Form und Inhalt zur Deckung. Das sparsame Formengut wird optimal eingesetzt und nur selten zur Unterstützung der Aussage überbetont.
In der 1936 entworfenen Skulptur "Der Buchleser (Lesender Mann im Wind)" gelingt Barlach ein sehr eindringliches und verdichtetes Bild eines lesenden Mannes - ein Sujet, dass schon zuvor in Lithographien und Zeichnungen eine wichtige Rolle in seinem Gesamtwerk spielt. Zudem ist die Bronze ein herausragendes Beispiel seiner blockhaft-massigen Figuren, die sein Gesamtwerk wie ein roter Faden durchziehen.
Keine ausladende Geste durchbricht die in sich geschlossene Form: Die Arme des Lesenden sind dicht an den Körper gezogenen und ruhen auf den angewinkelten Beinen. Der Blick verweilt konzentriert auf den aufgeschlagenen Buchseiten, die sicher von beiden Händen gehalten werden. Das große, den ganzen Köper umfassende Gewand verhindert die Störung der formalen Einheit durch ausgeprägte Details.
Der Buchleser, tief in seine Lektüre versunken, wirkt wie von der Außenwelt abgeschnitten. Sein runder Rücken scheint schützend wie ein Schild, störende Einflüsse von ihm fern zu halten und betont so das Alleinsein des Lesenden. Für einen kurzen Zeitraum lebt der Lesende in seiner ganz eigenen Welt. Durch die von dieser Bronze ausgehenden Ruhe und Intimität, bedingt durch die geschlossene Formsprache, gelingt es Barlach hier den menschlichen Akt des geistigen Bemühens wirksam in Szene zu setzen
Kategorie des Auktionshauses: | Moderne Objekte |
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