ID 84986
Los 225 | Imposanter sächsischer Kleiderschrank
Schätzwert
€ 16 500
Zweitürig. Feuervergoldeter, bekrönter Bronzebeschlag. Original schmiedeeiserne Riegel und Schloß. Restauriert Erg. Alterssp. Nussbaum und Nussbaummaser. Fassadengliederung mit drei Pilastern, fein geschnitzten Kapitellen korinthischer Ordnung und vielfach profiliertem Kranz.
Provenienz: In den 1960/70er Jahren im Auktionshaus van Ham in Köln für ca. DM 50.000,- erworben.Die Möbelproduktion in Sachsen erlebte seit Anfang des 18. Jahrhunderts eine wahre Blüte. Aufgrund der politisch wie auch wirtschaftlich bedeutenden Stellung des sächsischen Hofes unter König August dem Starken und sodann unter König August III. wurden zahlreiche Schlösser errichtet, deren Ausstattung die Kunstfertigkeit von Architekten, Bildhauern und sicherlich auch von Tischlern forderte. Viele berühmte Künstlernamen sind aus diesem Zusammenhang und über ihre Werke bis heute bekannt. Die Zunft der Tischler hatte ihre wichtigste Schaffensphase wohl in den 1720er und 1730er Jahren durch die Arbeit am Grünen Gewölbe oder der Moritzburg. In dieser Zeit, im Umbruch also vom Barock zum Spätbarock, definierte sich der Stil sächsischer Kleiderschränke mit klarer architektonischer Formensprache und hatte einen hohen Rang in der Möbelproduktion. Gemäß der konservativen Haltung der Handwerkerinnung sollte er auch noch bis 1788 das Möbelstück sine qua non sein, an dem zwischen Meister und Geselle geschieden wurde. Wie an dem hier präsentierten Modell, ist die Gliederung der Schauseite durch eine dreiteilige Pilasterordnung eine vorgegebene Größe - Sockel und Gebälk ließen zumindest eine gewisse gestalterische Freiheit zu. Auch im Bereich der Türfüllungen und an den Seiten war eine gewisse Individualität umsetzbar und zwar handwerklich durch dekoratives Furnier, durch Wulst, Kehle und Profil. Die Ausführung eines solchen Möbels war aber immer ein großes Unternehmen. Allein die Größe der Arbeit und die Qualität der Materialien forderten den Tischler nicht nur technisch, sondern auch im finanziellen Sinne. Der Kleiderschrank wurde ab etwa 1750 zudem deutlich seltener nachgefragt und ein Verkauf wurde zunehmend schwieriger. Vor dem Hintergrund der hohen Kosten, eines sich wandelnden Zeitgeschmacks und einer stilistschen Entwicklung vom Spätbarock zum Rokokozeitalter nach 1745-1750 müssen diese Kleiderschrankmodelle auch als Abbild ihrer Zeit verstanden werden, praktisch als kunsthistorisches Zeugnis. Was im Barock in der Form eher kastenartig und schwer in der Wirkung war, wandelte sich ab 1747 in Proportion und Dekor: die Architektur wurde leicht in der Höhe gestreckt und auf Dekor wurde verzichtet. Der elegante Schwung des bügelartigen Giebels, mit dem die starre Gliederung etwas dynamisiert werden konnte, ist ein Ausdruck für diesen Umbruch. Eine sichtbare Auflockerung der alten Form und ein subtileres Vorgehen in der Behandlung der Fläche zeichneten sich ab. Noch in den 1730er Jahren sollte Dekor dem schweren architektonischen Charakter entgegenwirken, nun wurde vielmehr die Lösung in der Form selbst gesucht. Leipziger Schränke der Jahre um 1760 (vgl. dazu vor allem Abb. 1; und sehr ähnlich, aber schlanker und wieder mit Dekor dann ab etwa 1770 im Sinne des beginnenden Klassizismus, vgl. Abb. 2) zeigen gekonnt diese stilistische Synthese aus der spätbarocken Grundform des architektonischen Schranks einerseits und dem überformenden Stilempfinden der Rokokozeit andererseits. In ihrer Wirkung bleiben diese Möbel also imposant und ein Zeugnis der höfisch geprägten Epoche, in ihren feinen Details allerdings erkennt man zugleich die Eleganz der Generation des sächsischen Rokokozeitalters.LiteraturArps-Aubert, Rudolf von: Sächsische Barockmöbel 1700-1770, Berlin 1939, Tafeln 38 und 40; Haase, Gisela: Dresdener Barockmöbel des 18. Jahrhunderts, Leipzig 1986; Schatt, Christian: Barock- und Rokoko-Möbel, München 2000, Abbildung S. 103 oben.
255 x 220 x 72 cm
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