ID 1941
Los 93 | LOCHEN RINCHEN ZANGPO - DER GROSSE ÜBERSETZER
Schätzwert
€ 60 000
Du, der unvergleichliche große Übersetzer, erscheinst mir wie ein zweiter Buddha. Untrennbar sind Deine Weisheit und Verwirklichung, ein wahrer Dharmatala - ich verneige mich respektvoll vor Dir! - Die Zeilen in schwarzer Tinte auf der Rückseite des Thangkas, zeugen von der großen Wertschätzung und Zuneigung für eine bedeutende Persönlichkeit Westtibets - Rinchen Zangpo. Rinchen Zangpo (tib. rin chen bzang po; 958-1055), „der Große Übersetzer“, war maßgeblich beteiligt an dem Wiederaufleben der zweiten Blütezeit des Buddhis- mus im Staat Guge (in heutiger Westtibet). Der letzte Tsenpo von Tibet, Lang Darma (836 bis 842, nach anderen Quellen von 841 bis 846) war zu seiner Zeit verantwortlich für die massive Verfolgung des Buddhismus. Der als Bön-Priester verkleidete Pelgyi Dorje von Lhalung, einer der 25 Schüler Padmasambhavas, ermordete ihn. Lang Darmas ältester Sohn hingegen wurde bald Herrscher von Mar-yul (Ladakh), und seine jüngeren Brüder herrschten über Westtibet. Sie gründeten den Staat von Guge und Purang. Ein Nachfahr von einem der Brüder, Tsenpo Yeshe Ö, ein buddhistischer Mönch, lud den Gelehrten Atisha (980-1154) nach Guge ein. Damit begann die sogenann- te Zweite Verbreitung der Lehre des Buddhismus, und die Phase der Neuen Übersetzungen buddhistischer Texte aus dem Sanskrit ins das Tibetische. Unter Yeshe Ös Regentschaft wurde das reich ausgestattete Kloster Tholing - das religiöse Zentrum von Guge - gegründet, dessen Abt wiederum Rinchen Zangpo wurde. Rinchen Zangpo war einer von einundzwanzig jungen Männern die im Auftrag Yeshe Ös in Indien und Kaschmir weilten. Dort betrieb er 17 Jahre seines Lebens buddhistische Studien. Nach seiner Rückkehr widmete er sich hauptsächlich der Übersetzungstätigkeit, wobei rund 158 Texte durch ihn, und Helfer, aus dem Sanskrit uns Tibetische übersetzt und erläutert wurden. Dies brachte Rinchen Zangpo den Ehrentitel Lotsawa ein. Sein Hauptwerk beinhaltete die Übersetzungen der Texte der Prajnaparamita- und Tantra-Lehren. Außerdem soll er über 100 Tempel und Klöster, und auch Stupas errichtet haben. Besonders hervor- zuheben sind die Klöster Alchi, Tabo, Tsaparang und Lamayuru (?, Ladakh). Durch Rinchen Zangpos Vermittlung und Verpflichtung bedeutender Künstler entwickelte sich in Westtibet besonders auch die Wandmalerei. Ein herausragendes Ereignis für den 85-jährigen Rinchen Zangpo - zwischenzeitlich der ranghöchste Priester und Abt des Hauptklosters Tholing - war das Zusammentreffen mit dem Gelehrten Atisha. Dieser unterwies ihn in der Lehre „Der magische Spiegel des Diamantfahrzeugs“ (Vajrayana). Das Thangka stellt ein weltweit wohl nahezu einmaliges Zeitzeugnis dar. Nur wenige Abbilder des Großen Gelehrten und Übersetzers - allenfalls in Wandmale- reien der berühmten Klöster (z. B. Alchi) - sind erhalten. Trotz alters- und gebrauchsbedingter Beschädigungen strahlt diese Malerei eine große Ruhe und Wärme aus, voller Dichte und Konzentration. Im Vergleich mit der Darstellung des Großen Gelehrten in einer Wandma- lerei in Alchi, wirkt das Abbild Rinchen Zangpos in diesem Thangka wie das Altersbildnis einer weisen Persönlichkeit. Sein Porträt drückt Achtsamkeit aus, seine Augen schauen zielgerichtet nach vorne, die Hände zeigen in feingliedriger Bewegtheit die Geste des „Drehens des Rades der Lehre“. Völlig in sich ruhend und doch unumstößlich wie ein Fels, sitzt er auf einem weißen Mondlotos in der Diamantstellung (vajrasana). Die Fußsohlen sind nach oben gerichtet. Der gebräuchliche Mantel gelehrter Mönche, hier mit großzügiger Volutenmusterung, schmiegt sich weich um seinen Körper. Darunter ist er mit dem traditionellen Mönchsgewand bekleidet. Der Schein seiner Gloriole strahlt hell. Begleitet wird Rinchen Zangpo von zwei links und rechts in der Pala-Manier stehend dargestellten Bodhisatt- vas, Padmapani (?) in weißer, und Maitreya (?) in gelber ikonographischer Körperfarbe. Über der Gruppe wölbt sich eine zweifache Aure- ole, die dem Zentrum dieses Bildes eine würdevolle Atmosphäre verleiht. Über Rinchen Zangpo thront, in ähnlicher Gestalt und Haltung, möglicherweise ein Lehrer seiner Überlieferungslinie. Zahlreiche Gottheiten, Buddhas, Bodhisattvas, Mahasiddhas, und Lamas sind über das ganze Verehrungsbild verteilt. Eine detailliertere Beschreibung findet sich in dem Katalogtext (vgl. Ausstellungskatalog: Weisheit und Liebe; s. Literaturhinweis). Wie bei alten nur noch fragmentarisch erhaltenen Wandmalereien Zentralasiens konzentriert sich bei dieser Malerei, die Wahrnehmung auf das Wesentliche, auf die Schönheit und Ausdruckskraft des Vorhandenen, sodass der Verlust - das nichtmehr Sichtbare - kaum mehr ins Gewicht fällt. Darüberhinaus erhält die Vergänglichkeit der Erscheinungen hier sinnfällig ihre Bedeutung und Gültigkeit. Rückseite: Inschrift in schwarzer Tinte. 84 x 70 cm R.
60000,–/100000,– Provenienz: Aus einer alten süddeutschen Privatsammlung, zwischen 1960 und 1980 gesammelt - Publiziert in: Weisheit und Liebe, 1000 Jahre Kunst des
tibetischen Buddhismus; Marylin M. Rhie, Robert A.- F. Thurman; erschienen anlässlich der gleichnamigen Ausstellung in der Kunst- und Ausstellungshal- le der Bundesrepublik, Bonn; und weiteren Stationen; Du Mont, Köln, 1996: 438-439/191 (60a) - Vgl. A Buddhist Paradise - The Murals of Alchi, Western Himalayas; Text by Pratapaditya Pal; Ravi Kumar (Publisher);Lilakala AG, Vaduz, 1982: Abb: LL2 - Giuseppe Tucci, Rin-chen-Bzang-po and the Renaissance of Buddhism in Tibet around the Millenium. Aditya Prakashan, New Delhi, 1988. (first published in Italyan, Roma, 1932) - Alterssch., part. rest.
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