ID 196823
Los 1023 | Reinigung
Schätzwert
€ 12 000 – 15 000
Provenienz:
- Galerie EIGEN +ART, Leipzig/Berlin
Ausstellungen:
- Werkschau Leipzig, 2012
- Kunsthalle Osnabrück, 2013
- Bayer AG, Leverkusen 2014/2015
- Auf AEG (Halle 20), Nürnberg 2015
- St. Canisius, Berlin, 2016
- Synagoge, Berlin, 2016
- Museum Abtei Liesborn, Wadersloh-Liesborn 2018
Literatur:
- Gisbourne, Mark/ Schmidt, Hans-Werner/ Bleyl, Matthias unter anderem (Herausgabe): Eros und Thanatos, Leipzig 2012, Katalog-Nr. II, mit Abbildung
- Ausstellung-Katalog: Martin Eder. Die kalte Kraft, Kunsthalle Lingen, Berlin 2004
Eindeutig und nicht ambivalent erscheint auf den ersten Blick Martin Eders nackte Schöne aus dem Jahr 2010, die den vielsagenden Titel "Reinigung" trägt. Auch hier könnten nun Feministinnen auf den Plan gerufen werden mit dem seit den 80er Jahren bekannten Schlachtruf "Do women have to be naked to get into the museum?", der auf das eklatante Missverhältnis von weiblichen Aktdarstellungen und weiblicher Künstlerschaft in den Ausstellungsinstitutionen rund um den Globus anspielt.
Nun scheint es jedoch so, dass diese zeitgenössische Dame sich ihrer selbst bewusst und eigenständig entschieden hat, in diesem Aufzug gemalt zu werden. Ob nackte Haut und Feminismus vereinbar sind, wird im 21. Jahrhundert heftig diskutiert. Martin Eders Modell hat sich diese Frage bereits beantwortet. Hier ist die Frau die Entscheidungsträgerin.
Nichts an dieser Darstellung erscheint uns passiv. Die aufrechte Pose, der gerade Blick sowie der feste Griff um einen Gegenstand, der durchaus auch zur Verteidigung dienen könnte, lässt keinen Zweifel daran, dass diese Frau nicht nur über ein gutes Aussehen verfügt.
Leicht verständlich und vertraut wirken Eders Bilder auf den ersten Blick. Früher waren es Kätzchen mit großen niedlichen Augen, danach kamen die leicht bekleideten Frauen, die vielleicht die Phantasie des Betrachters anregten, aber von diesem kein überbordendes ikonografisches Vorwissen verlangten.
Schnell ließe sich das Kitschverdikt über diesen Bildern ausgießen. "Wenn Du meine Bilder anschaust, dann weiß ich ganz genau, was sich in Deinem Gehirn abspielen soll" sagt selbstbewusst der Künstler. Wir könnten ihm sicher den Gefallen tun angesichts dieser leicht bekleideten Dame, die mit Hirtenstab und geöffnetem Cape der Phantasie Tür und Tor öffnet. Aber reicht im 21. Jahrhundert tatsächlich ein halbbekleideter Frauenakt mit dem Titel "Reinigung" aus, um ein Gemälde als kitschig zu verurteilten? Wer ist der Richter über Kitsch oder große Kunst? Machen wir es uns als Betrachter tatsächlich so einfach und tappen in die so offensichtlich ausgelegte Falle?
Die Vieldeutigkeit ist vielleicht das einzige Qualitätskriterium, das der zeitgenössischen Kunst geblieben ist, und diese große Chance sollten wir als Betrachter auch nutzen. Nicht nur die abstrakte Kunst ist in der Lage Ambivalenzen in ihrer Interpretation hervorzurufen, auch die klassischste aller Gattungen, die figurative Malerei kann das. Sie verlangt nur dem Betrachter mehr ab, da er erst einmal hinter das scheinbar Vertraute, von der Gesellschaft einvernehmlich Konnotierte, blicken muss, um festzustellen, dass das Vertraute nur vertraut scheint. In Wahrheit ist es genau das Gegenteil.
(Vgl. www.kleidungskultur-soer.de/?m=201705)
Prof. Dr. Teresa Bischoff
Kategorie des Auktionshauses: | Zeitgenossische Gemälde, Zeichnungen, Aquarelle |
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