ID 1191041
Los 243 | Willi Geiger. Heiliger Sebastian. 1914
Schätzwert
€ 6 000 – 8 000
Der Künstler Willi Geiger wurde 1878 in Landshut geboren und wurde nach einer ersten Ausbildung an der Münchener Kunstgewerbeschule 1901 an der Akademie der Bildenden Künste als Schüler von Franz von Stuck aufgenommen. Schon früh konnte er Erfolge feiern, nicht unbedingt als Maler, sondern als Graphiker. Besonders sein Frühwerk ist daher mit graphischen Arbeiten in Verbindung zu bringen. Doch auch Gemälde finden sich im Frühwerk des Künstlers, häufiger auch mit religiösen Inhalten, so wie eine Reihe mehrerer Darstellungen des Heiligen Sebastians.
Der Körper des Heiligen orientiert sich stilistisch an denen des spanischen Manieristen El Greco, der ebenfalls für seine Heiligendarstellungen bekannt war. Mit dieser Hilfe schaffe Geiger es, seine Gefühle in eine eigene Formensprache umzuwandeln. Er spielt hier mit Körperproportionen und verzerrt den Torso in die Länge, wie sein spanisches Vorbild. So soll auch genau diese Körperlichkeit hier hervorgehoben werden: Überlebensgroß schauen wir auf den verzerrten Körper, der durch die Beleuchtung des Bildes zusätzlich in Szene gesetzt wird. Im Gegensatz dazu verschwindet der Kopf an der oberen Bildkante fast schon im Dunkel, ebenso wie die Füße. Ihm ist sein Leid schon an der verkrampften Haltung anzusehen. Durch den Gesichtsausdruck wird das Ganze noch verstärkt. Was Geiger jedoch von seinem spanischen Vorbild unterscheidet, ist die Art, wie wir den Heiligen verstehen. Denn: eigentlich sollte er an etwas wie einem Baum gefesselt sein. Stattdessen wirkt er hier schwebend frei im Raum, weder ist er mit dem Boden noch mit dem Hintergrund verbunden, er interagiert in keiner Weise mit seiner Umgebung. Die Armbrustbolzen sind auch durch die Farbigkeit kaum vom Körper zu unterscheiden. Und der Hintergrund wirkt auf den ersten Blick einfarbig, jedoch können wir auf Höhe seines Bauches eine Stadtsilhouette entdecken, die mit ihren weißen Mauern spanisch wirkt. Und auch im Hintergrund kristallisiert sich bei näherem Hinsehen eine Berglandschaft heraus. Mindestens drei Mal hat Geiger dieses Motiv geschaffen, wobei eines unserem konzeptionell ähnlich ist (zuletzt verkauft Galerie Bassenge, 04. Dezember 2021, Lot 8031, eine andere Version des Heiligen Sebastians abgebildet bei Esswein 1922, S. 202). Im Vergleich zu diesen wirkt der heilige Sebastian aus der Sammlung Faussner abstrahierter, schwebend. Während in den anderen beiden Versionen der Körper noch an einem Baumstamm angelehnt ist und die Armbrustbolzen deutlich zu erkennen sind, ist hier eine fast schon transzendente Szene zu erleben. Wir sind als Betrachtende allein mit dem Leid des Sebastians, uns fehlt der Halt, wir entfremden uns mit ihm von seiner Umgebung.
Willi Geiger schuf das Bild zu Beginn des ersten Weltkrieges wohl noch in seiner Berliner Zeit, wo er unter anderem mit Max Beckmann befreundet war. Es ist über diese Schaffenszeit des Künstlers in der Literatur bisher abseits seiner Radierungen wenig publiziert worden. Schon 1959 merkte Richard Hiepe an, dass die Zeit vor 1918 sehr unübersichtlich ist (Hiepe 1959, S. 7). Dennoch nimmt das Gemälde hier viele Tendenzen vorweg, die Geiger in seiner späteren Zeit ausgemacht hat, sowohl in der Ausdrucksstärke des Werkes als auch in der Farbigkeit. Durch das Format und die Ausdrucksstärke des Gemäldes handelt es sich hier definitiv um ein Schlüsselwerk des Landshuter Expressionisten.
Literatur: Esswein, Hermann, Willi Geiger. In: Deutsche Kunst und Dekoration, Nr. 25, Januar 1922, S. 197-203. - Hiepe, Richard, Willi Geiger. Dresden 1959.
Provenienz: Galerie Wolfgang Ketterer, 108. Auktion, 2.-4. Juni 1984, Lot. 365. - Sammlung Hans Constantin Faußner. München.
Ausstellung: Willi Geiger 1878-1971, Gedächtnisausstellung aus Anlaß des 20. Todesjahres, Landshut/Prien 2001, Kat.-Nr. 3.
Künstler: | Willi Geiger (1878 - 1971) |
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Kategorie des Auktionshauses: | Gemälde 19. - 20. Jahrhundert |
Künstler: | Willi Geiger (1878 - 1971) |
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Kategorie des Auktionshauses: | Gemälde 19. - 20. Jahrhundert |
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