ID 141092
Lot 2047 | Ein Regentag im Frühling
Estimate value
€ 90 000 – 120 000
China. 1990. Öl auf Leinwand. 90,5 x 72cm. Die stehende junge Mutter hält einen hellgelben Schirm über sich. Ihre Tochter, ein Schaf auf den Armen, hat sich ihr zugewandt. Beide sind gekleidet in der Tracht der Yi mit plissierten Röcken und Indigoblau gefärbten Jacken. Das in sich gekehrte Gesicht der Mutter wird eindrucksvoll durch den schwarzen Kopfputz umrahmt, an Ohren, Hals und Handgelenken trägt sie Schmuck. Die Tochter ist im Profil gezeigt, mit einer Schirmmütze und zusätzlich einem Tuch um den Kopf. Das schwarzweiße Lamm schmiegt sich an sie. Im Hintergrund erhebt sich eine hohe Mauer aus großen und kleinen Steinen, die einen Hof mit einem Haus umschließt. Darüber werden die Zweige von Obstbäumen mit zarten, weißen Blüten sichtbar und hier wird man auch des feinen, kalten Frühlingsregens gewahr. Die Atmosphäre des Bildes fängt einen ruhigen, doch intensiven Moment ein. Mutter und Tochter nehmen weder zum Betrachter, noch zueinander Kontakt auf, sondern sind in diesem Moment tief in sich versunken.
Das Volk der Yi, eine der 55 Minderheiten Chinas, lebt in gebirgigen Gegenden der Provinzen Sichuan, Yunnan und Guizhou. Neben einer eigenen Sprache, wie auch Ideogrammen, pflegen sie ihre Trachten, zu denen weite, gefältelte Röcke gehören und mit Indigo tief dunkelblau gefärbte Jacken. Die ausladende, schwarze Kopfbedeckung ist charakteristisch für verheiratete Frauen der Yi. Signiatur: Cong Lin 1990 (unten rechts). Auf der Rückseite ein handschriftlicher Versandhinweis innerhalb Chinas. Späterer Holzrahmen. Zustand A/B. Beilage: Fachzeitschrift ART 1991/6, mit einer persönlichen Widmung des Künstlers für den Käufer.
Provenienz:
-Deutsche Privatsammlung. Direkt beim Künstler erworben. Seit ca. 25 Jahren in Familienbesitz.
Literatur:
-Publiziert in der chinesischen Fachzeitschrift ART 1991/6, S. 52.
Vergleiche:
-Am 1. Dezember 2010 wurde bei Poly International Auction Beijing im 'Modern & Contemporary Chinese Art Evening Sale' als Lot 1023 ein fast identisches Gemälde für mehr als 200.000 Euro verkauft.
Cheng Conglin, geboren in Chengdu/Sichuan, studierte Ölmalerei in den 70er und 80er Jahren am Institut der Schönen Künste Sichuan, wo er später auch als Professor tätig war, und an der zentralen Kunstakademie Chinas. Auf Einladung des Centre national des arts plastiques war er 1986 zu Gast in Frankreich. In der Zeit von 1987 bis 1990 lehrte er als Gastprofessor an der Universität Osnabrück. Von 1984 bis 1990 arbeitete er an den beiden außerordentlich großen und beeindruckenden Zyklen 'Hochzeits- und Trauerfeier der Yi', die vom 24. Mai bis 7. Juni 1992 in der Kunsthalle Dominikanerkirche, Osnabrück zusammen mit anderen Werken ausgestellt wurden. In dieser Ausstellung wurde vermutlich auch das vorliegende Bild gezeigt.
In der Zeit der Kulturrevolution und auch bereits davor diente Kunst meist propagandistischen Zwecken unter der obersten kulturellen Maxime: "Kunst im Dienste der Politik". Nach dem Ende der Kulturrevolution 1976 veränderte sich die politische Lage und auch die Situation der Künstler. Ein lange unterdrückter Freiheitsdrang brach sich überall Bahn. Zahlreiche Künstler beschäftigten sich mit den Geschehnissen dieser außergewöhnlichen Epoche. In vielen Kunstwerken dieser Zeit wird die Bewusstwerdung über den Fanatismus und die Gewalt, die an Menschen ausgeübt worden war, sichtbar. Es wird klar, dass die Dargestellten nicht mehr heroische Vorstellungen und Ideen verkörpern. Sie werden als Individuen portraitiert und ihre Gefühle sind ablesbar. Oft jedoch herrscht eine melancholische Stimmung, die Menschen sind in sich gekehrt und die Farbgebung wirkt düster, manchmal fast monochrom. Ende der 1970er Jahre entstand die 'Narbenkunst', die eine der wichtigsten Strömungen der chinesischen zeitgenössischen Kunst darstellt. Die Bezeichnung leitet sich von einer 1978 veröffentlichten Erzählung mit dem Titel 'Narben' ab. Cheng gilt neben Zhang Hongnian, Luo Zhongli, Gao Xiaohua u.a. als bedeutender Vertreter dieser Stilrichtung.
Das Gemälde "Ein Regentag im Frühling" steht für eine etwas spätere Phase, in der sich Cheng mit der Darstellung von Menschen des Yi-Volks in Liangshan/Sichuan beschäftigte. Die Bilder stehen unter dem Einfluss des Impressionismus. Sie zeigen flüchtige Momentaufnahmen, in denen das Licht und die atmosphärischen Bedingungen einen wichtigen Teil der Darstellung bilden. Der Duft der blühenden Bäume wird fast wahrnehmbar, wie auch die feinen Nadeln des kalten Regens auf der Haut. Die Pinselführung ist meisterhaft, ebenso die Komposition. Geschickt in den Fokus stellt er die Gesichter von Mutter und Tochter. In der Darstellung von Frontalansicht und Profil, dem Gegensatz des Mädchens und der Frau schafft er es gleichzeitig Ähnlichkeiten und Gegensätze zu verdeutlichen. Insgesamt vermittelt das Bild große Lebendigkeit und Tiefe, einerseits durch gekonnte Schattierungen, andererseits aber auch in chinesischer Maltradition durch die Staffelung der Personen, der Mauer, der Bäume und des Hauses.
Pages from ART 1991
Auction house category: | Asian - Painting |
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