ID 68559
Lot 100 | Kleinschmidt, Paul (Bublitz, 1883 - Bensheim a.d.B., 1949)
Estimate value
€ 25 000
Lipps-Kant, Nr. 356. - Provenienz: Besitz Reglindis Kleinschmidt, La Varenne, 1978 von Frau Maria Salzmann-Kleinschmidt, der Tochter des Künstlers erworben. - Ausstellung: Kunstverein Köln, Köln 1952, Kat.-Nr. 45. - Der am 31. Juli 1883 in Bublitz, Pommern, geborene Paul Kleinschmidt wuchs in einer Künstlerfamilie auf. Der Vater war Direktor einer Wanderbühne, die Mutter Schauspielerin. Schon früh lernte er das Leben hinter den Kulissen kennen. Von 1902 bis 1905 studierte Kleinschmidt an der Künstler-Akademie in Berlin bei dem Historienmaler Anton von Werner. In dieser Zeit freundete er sich mit Lovis Corinth an, der ihn sowohl menschlich als auch künstlerisch beeindruckte. 1904 setzte er schließlich sein Studium an der Münchner Akademie bei Peter Ham und Heinrich von Zügel fort. 1905 kehrte Kleinschmidt nach Berlin zurück, wo er sich 1908 und 1911 an Ausstellungen der Berliner Sezession beteiligte.1914 wird Paul Kleinschmidt in die Armee einberufen, aber wegen einer Gasvergiftung bereits 1915 wieder entlassen und vom Kriegsdienst suspendiert. 1927/1928 unternahm der Künstler Studienreisen nach Amsterdam und Südfrankreich. Zu dieser Zeit lernte Kleinschmidt den New Yorker Sammler Erich Cohn kennen, der schließlich sein Mäzen werden sollte. Wohl unter dessen Einfluss beschäftigte sich Kleinschmidt vermehrt mit der Malerei und stellte 1933/1934 in den USA aus; auch hielt er sich selbst einige Zeit in New York City auf. 1932 zieht der Künstler mit seiner Familie von Berlin nach Süddeutschland, wo sie zunächst in Klingenstein bei Blaubeuren, dann in Ulm wohnten. Auch Ulm verließen sie bereits ein Jahr später, um nach Ay bei Senden zu gehen.Seit 1933 ist die Kleinschmidt politischen Repressionen ausgesetzt. In der NS-Zeit galt seine Malerei als entartet und wurde deshalb beschlagnahmt. Einige seiner Werke wurden in der Ausstellung "Entartete Kunst" gezeigt. Als der politische Druck immer mehr zunimmt, emigrierte Kleinschmidt 1936 in die Niederlande. Die Zeit zwischen 1937 und 1939 verbrachte er in Südfrankreich. 1940 wurde der Künstler für mehrere Monate in verschiedenen Lagern interniert, anlässlich der französischen Kapitulation dann wieder freigelassen. Er kehrte zwangsweise nach Deutschland zurück, wohnte in Bensheim an der Bergstraße und wurde 1943 mit einem Malverbot belegt. 1945 verbrannte nach einem Bombenangriff sein kompletter Besitz. Vier Jahre später verstarb er verarmt in Bensheim an einem Herzleiden.In Erinnerung an frühere Ulmer Festveranstaltungen schuf Paul Kleinschmidt 1940 das Gemälde "Doppelbildnis, Faschingsbild (Künstler und Frau)". Die statuarisch in sich ruhende barock üppige Frau beherrscht den Bildraum. Ihr Mann, im Pierrot Kostüm, beugt sich, mit genüsslichen Lippen und schwerem Blick ganz auf sie fixiert, zu ihrer Schulter. Bereits 1936, dem Jahr der Emigration, berichtete der Künstler in einem Brief an seinen Freud Cohn über sein Vorhaben. Er wollte so schnell wie möglich drei Faschingsbilder malen, die zwar unpolitisch und unphilosophisch sein sollten, die aber gleichwohl als ein Spiegel der Zeit geplant waren. "Aber der Alpdruck und die geradezu gotteslästerliche 'Freiheit' und deren . Brimborium müssen darin sein - in Komposition und Farbe". Das unter dieser Maßgabe entstandene Faschingsbild ist eine Reminiszenz aus den 1920er Jahren, wo der Künstler in der Berliner Sezession und auch später während seiner Ulmer Zeit wilde Faschingsfeste gefeiert hatte. Sein Bild sollte das Bedauern über die veränderte Zeit und über die eingeschränkte Freiheit ausdrücken.
116 x 81 cm, Rahmen.
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