ID 1093934
Lot 75 | Tshe-ring-ma, die Langlebensgöttin und ihre vier Schwestern
Estimate value
€ 2 000 – 3 000
41,5 x 28 / 90 x 51 cm
Dieses kostbare und liebevoll gemalte kleine Thangka ist der Göttin des langen Lebens Tshe-ring-ma gewidmet. Die Göttin Tshe-ring-ma gehört, zusammen mit ihrem Gefolge, in den grossen Kreis der Gottheiten um die Göttin Remati (tib. dPal-ldan dmag-zor-ma). lkonographisch erscheint die Berggöttin bKra-shis tshe-ring-ma, zusammen mit vier weiteren Göttinnen, als Gruppe unter dem Namen ”die Fünf Schwestern des langen Lebens”. Die Vorstellung von Berggottheiten ist in Tibet sowie in vielen Himalayaländern verbreitet, denn für die Tibeter waren schon immer die hohen Berge als Wohnsitze von Gottheiten heilig gewesen, denn auf den Gipfeln der Berge entspringen die Quellwasser für alles Leben, und an den Berghängen gedeihen die kräftigsten und heilsamsten Kräuter. Die fünf Göttinnen des langen Lebens, Tshe-ring mched-lnga, wurden bereits früher von Padmasambhava gebannt, und als Schutzgottheiten eingesetzt. In der Nähe des grossen Yogi Mi-la ras-pa hielt sich auch die zunächst ihm feindlich gesinnte Dämonin Tshe-ring- ma, zusammen mit 8000 anderen bösen Dämonen auf, die versuchten dem Yogi zu schaden, und ihm nach dem Leben zu trachten. Durch strenge Bannungen aber konnte er sie zur Besinnung und zum Einhalt ihrer schändlichen Absicht bewegen. Einschlägige Texte beschreiben wie folgt: ”Aus der absoluten Sphäre der Lehre der Befreiung inmitten eines himmlischen Palastes entsteht aus der Silbe Bam ein Lotus und aus der Silbe Ram die fünf Throne eines Sonnenmandalas. In dessen Mitte erscheint die edle Herrin bKra- shis tshe-ring-ma, die Buddhadakini von weisser Farbe, auf einer weissen Schneelöwin reitend. In der rechten Hand hält sie den die Hindernisse des Lebens abwehrenden goldenen und fünfzackigen Vajra gegen den Himmel empor. In der linken Hand trägt sie das kostbare Gefäss mit dem Lebenswasser vor dem Herzen. Links unten, vor Tshe-ring-ma erscheint die Göttin mThing-gi zhal-bzang-mo, die Vajradakini von tiefblauer Farbe auf einem weiblichen Wildesel, mit weissem Maul, reitend. In der linken Hand hält sie den die samsarische Welt als Täuschung zeigenden Spiegel, und in der rechten Hand schwingt sie ein Siegesbanner mit drei Stoffstreifen. Auf der linken Seite darüber reitet die Göttin Mi-gyo blo-bzang-ma, die Ratnadkini von gelber Farbe auf einer gestreiften Tigerin. In der linken Hand trägt sie eine goldene Schale mit den „Hundert kostbarsten Geschmacksarten“. Auf der rechten Seite gegenüber reitet die Gottheit gTad-dkar ‘gro-bzang-ma als Karmadakini von grüner Farbe, auf einem grünen weiblichen Drachen. In der linken Hand hält sie ein Bündel mit Durvagras, und rechts eine Schlange. Darunter rechts erscheint die Göttin Cod-pan mgrin-bzang-ma, die Padmadakini von roter Farbe, auf einer Hirschkuh reitend. In der rechten Hand hält sie den Cintamani (Wunschedelstein) auf einem Stock. Alle fünf Göttinnen sind von lebensnaher, jugendlicher Schönheit (Ratnadkini!), in seidene Gewänder gekleidet, und mit goldenen Diademen bekrönt. Über Tshe-ring-ma manifestiert sich, von dichten Wolken umgeben, die Dakini Naro Khachöma. Nach den Beschreibungen in den Sadhana-Texten soll sie als wunderschönes vierzehnjähriges Mädchen visualisiert werden, mit lusterfüllten vollen Brüsten. Die Göttin ist von roter Körperfarbe und strahlt einen Glanz aus wie Feuer. Ihr schwarzes Haar fällt offen bis zur Taille herab. Mit nach links gerichtetem Kopf blickt sie nach oben in den leeren Himmel. Mit der linken Hand hebt sie eine Schädelschale, gefüllt mit dem Blut der vier Maras an ihren Mund, während sie mit der Rechten ein Hackmesser nach unten streckt, um „alle Fehler des Samsara“, wie Stolz und andere, abzuschneiden. Über ihrer linken Schulter trägt sie einen Khatvanga-Stab, der ihre ständige Vereinigung mit ihrem geheimen Heruka-Partner andeutet. Knochenschmuck bedeckt ihren Körper, und eine Girlande von einundfünfzig trockenen Menschenköpfen hängt um ihren Hals. Auf dem Haupt trägt sie die fünffache Schädelkrone, ein Symbol für den Dharmakaya-Aspekt der Fünf Tathagatas. Die Dakini steht in der alidha-Haltung inmitten eines glühenden Weisheitsfeuers auf einem Sonnen- Lotos, sowie mit beiden Beinen über der roten Göttin Kalaratri und über dem schwarzen Bhairava. Beide sind hinduistische Götter, die durch das buddhistische Tantra überwunden worden sind. Der inneren Bedeutung nach versinnbildlichen sie die Überwindung von Selbstsucht und Anhaftung. Naro Khachömas Titel: „Dakini aller Buddhas“ zeichnet sie als Essenz der Weisheit und des Wesens aller fünf Tathagata- Buddhas aus. Vor ihr türmt sich, in Miniaturgröße, der Weltberg Meru mit einem Palast auf seinem Gipfel. Schneebedeckte Berge umgeben den Berg Meru. In einer kleinen Berghöhle kann man den berühmten Dichter-Yogi Milarepa, in seinem weißen Baumwollgewand erkennen. Typischerweise hält er seine rechte Hand an sein Ohr, um die Stimmen der Dakinis zu hören. Die rote Dakini wird in den beiden Ecken rechts und links oben von dem „Buddha der Zukunft“ - Maitreya, und dem „Buddha des Langen Lebens“ - Amitayus begleitet. Neben Maitreya kauert ein Gelehrter der Sakya-Linie und ein indischer Pandita. Links unten erscheint, halb verborgen von Bäumen, der „Bodhisattva des Mitgefühls“ - Padmapani. Seine ikonographische Farbe ist weiß. Zwischen Ringfinger und Daumen hält er eine Mala, und dahinter kann man die Andeutung eines Gazellenfells erahnen. Seine linke Hand hält sein Symbol, als Lotosträger, die weiße Lotosblüte. Unten in der rechten Ecke thront auf einem mehrfach erhöhten Sitz, beschirmt von einem Ehrenbaldachin, ein hoher Geistlicher der Sakya- Schule, als Vertreter der gNor-Linie. In seiner linken Hand hält er das goldene Dharma-Rad und seine rechte Hand weist schützend und segenspendend auf die große Ansammlung von gabenherbeibringenden Mönche, einen Sadhu, Männer mongolischer Herkunft, und edle Frauen unterschiedlicher Abstammung. Alle versammeln sich vor einem reich mit Opferschalen gedeckten Altartisch, überwölbt von einem Regenbogen. Sie bringen dem Lama kostbare Geschenke. Das Zusammentreffen der Gottheiten und der verehrungbezeugenden Versammlung, spielt sich in einer von Wolken umspielten üppigen Gebirgslandschaft ab, mit grünen Bäumen, Blumen und fließenden Gewässern. Mit dieser Malerei hat der Künstler ein lebensfrohes und lebensbejahendes Verehrungsbild geschaffen. Tempera und Gold auf Baumwollgewebe, originale Brokateinfassung.
Aus einer alten und bedeutenden deutschen Privatsammlung, gesammelt zwischen 1950 und 1987, Sammlungsnummer T 42
Nach: D. I. Lauf; Die Berggöttin des langen Lebens; EZZ Zürich, I 1972:259ff - Rechts an einigen Stellen Einwirkung von Feuchtigkeit, berieben, Altersspuren
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