ID 71324
Lot 109 | Wollheim, Gert Heinrich (1894 Dresden - 1974 New York). Die Kartenspieler
Estimate value
€ 20 000 – 30 000
Provenienz:
- Privatsammlung London
- Privatsammlung Europa
Literatur:
- Stephan von Wiese (Hrsg.): Gert H. Wollheim (1894-1974) - Monographie und Werkverzeichnis, Köln 1993, Werk-Nr. 337, o. Abb.
"Ihr sollt meine Bilder nehmen wie eine Kokusnuss / Die auf den steifen Hut fiel euch / Und eine Dülle gemacht hat / Aber dann wenn das Malheur vorbei ist / Habt ihr sie in eurer Hand / Und nun mit Hammer und Messer ran an die Schale / Ich versprech euch's fließt süße warme Milch raus / Aber wartet nicht zu viel tausend Jahre damit / Sonst wird alles faul und stinkt ganz alt und modrig." (Gert Wollheim, 1919)
Gert Wollheim zählt zu den großen Einzelgängern der deutschen Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts. Der Sohn aus großbürgerlichem Elternhaus fühlt sich nach den Erfahrungen des I. Weltkrieges revolutionären, eher "proletarischen" Ideen verpflichtet. Seine rebellischen Reden und die Kompromißlosigkeit in seinen Anschauungen sind in der Kunstszene Düsseldorfs und Berlins während der 1920er und den frühen 1930er Jahren gleichermaßen geachtet wie gefürchtet.
Wollheim ist ein Avantgardist, der energisch für die "Neue Kunst" eintritt. Dies ändert sich nicht als er 1933 vor den Nationalsozialisten ins Pariser Exil flieht, nicht als er von 1939 bis 1942 in verschiedene Internierungslager Frankreichs gebracht wird, und auch nicht während der folgenden Jahre des Versteckens.
Wollheims eigenwillige Auffassung findet ihren Niederschlag in seiner malerischen Ausdrucksweise, die nicht mit einem Stilbegriff zu erfassen ist. Immer wieder erprobt er andere Möglichkeiten der künstlerischen Artikulation, wobei er bewußt auf "alte" Traditionen der Kunstgeschichte zurückgreift. Dergestalt steht seine Malerei zwischen Realismus, Expressionismus, Surrealismus und Dadaismus.
Ein zentraler Wesenszug verbindet jedoch alle seine Bilder - das Nach-Außen-Kehren der Innenwelt. Stets blickt Wollheim hinter die Fassade der Dinge und ins Innenleben der Menschen. So auch bei dem Gemälde "Die Kartenspieler", das im Jahr seiner Rückkehr nach Paris und ein Jahr vor seiner Emigration nach New York entsteht.
Ein Panoptikum von Akteuren ist hier eng um einen Tisch gedrängTiefe: Im Mittelpunkt sitzt ein feister Clown, der grinsend auf seine Handflächen schaut. Links streicht ein kahlköpfiger Mann grübelnd über das Kinn. Ihm gegenüber steht ein Vagabund mit einem "umgefallenen" Papagei auf der Schulter, der mit großem Gestus daraufhin zu weisen scheint, dass er "es" gesehen hat. Geht es hier um Falschspielerei, oder um die heftige Rekapitulation eines Kartenspiels...? Die möglichen Zeugen sind mit ganz anderen Dingen beschäftigt. Die teetrinkende Dame links starrt ohne Regung vor sich hin und auch der Mann in der Mitte wendet sich nicht den Spielern zu. Nur die Tänzerin, die von den Leibern des Clowns und Vagabunden größtenteils verdeckt wird, beobachtet das Geschehen - über ihren Spiegel. Man hat das Gefühl, einem grotesken Theaterstück beizuwohnen. Durch den nahen Bildausschnitt werden wir Teil der Posse. Und Wollheim selbst schließt sich nicht aus: seine Signatur setzt er auf jene schwarze Tafel, auf der am Ende eines jeden Spiels Gewinn und Verlust aufgerechnet wird
Auction house category: | Modern paintings, drawings, watercolours |
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