Georg Tappert. Tänzerin mit erhobenem Fächer

Los 6
05.06.2024 18:00UTC +01:00
Classic
Verkauft
€ 151 800
AuctioneerVAN HAM Kunstauktionen GmbH
VeranstaltungsortDeutschland, Köln
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ID 1220316
Los 6 | Georg Tappert. Tänzerin mit erhobenem Fächer
Schätzwert
€ 50 000 – 70 000
TAPPERT, GEORG
Berlin 1880 - 1957

Titel: Tänzerin mit erhobenem Fächer.
Datierung: Ca. 1918/20.
Technik: Öl auf Pappe.
Montierung: Auf Holzplatte kaschiert.
Maße: 85 x 59cm.
Bezeichnung: Bezeichnet verso mittig von der Witwe des Künstlers: Tänzerin mit Fächer von Georg Tappert ca 1918/20 Annalise Tappert 1960.
Rahmen/Sockel: Künstlerrahmen.


Provenienz:
- Galerie Brockstedt, Hamburg (lt. Einlieferer)
- Privatsammlung Norddeutschland

Ausstellungen:
- Galerie Flechtheim, Düsseldorf 1920
- Galerie Nierendorf, Berlin 1970
- BAT-Haus, Hamburg 1977
- Kunsthalle Emden, 1996

Literatur:
- Wietek, Gerhard: Georg Tappert - Ein Wegbereiter der Deutschen Moderne, München 1980, WVZ.-Nr. 205, Abb.
- Ausst.-Kat. Wilhelm Morgner, Galerie Flechtheim, Düsseldorf, 1920
- Ausst.-Kat. Georg Tappert. Deutscher Expressionist, Nürnberg 2005, Nr. 53b, Abb. S. 99

- Wichtiger Vertreter der Berliner Avantgarde und Gründungsmitglied der 'Novembergruppe', der auch George Grosz, Otto Dix und Hannah Höch angehörten
- Seine Frauendarstellungen der Berliner Halbwelt der 1920er Jahre markieren den Höhepunkt seiner künstlerischen Karriere
- Wunderschönes, farbintensives Werk mit deutlichen, stilistischen Bezügen zum orphischen Kubismus

Georg Tappert und die Neue Sezession
Georg Tapperts berufliches Tun war ein Dreiklang: Vor allem war er Maler und Graphiker, daneben einflussreicher Kunstpolitiker und -funktionär und - vor allem nach dem zweiten Weltkrieg - Professor und Lehrer. Der in Berlin geborene Tappert macht zunächst eine Schneiderlehre bevor er, mit Empfehlungsschreiben von Max Liebermann und Paul Schultze-Naumburg und unterstützt von Mäzenen ein Akademisches Kunststudium in Karlsruhe absolviert. Seine erste Einzelausstellung hat der junge Künstler bereits 1905 im Kunstsalon Paul Cassirer.
Liebermann - Schultze-Naumburg - Cassirer: Der Sohn eines Schneiders hat von Beginn an Talent für Kontakte und ist ein begabter Netzwerker. Dies zeigt sich deutlich in den kunstpolitischen Entwicklungen in Berlin 1910. Die inzwischen tonangebenden früheren "Rebellen" der Berliner Sezession um Max Liebermann können mit der neuen Avantgarde der Expressionisten wenig anfangen. Als ungewöhnlich vielen jungen Künstlern, auch ihm selbst, die Teilnahme an der Sezessions-Ausstellung verweigert wird, wird Georg Tappert Mitinitiator der "Neuen Sezession" und auch in den kommenden Jahren treibende organisatorische Kraft der jungen Künstler. In der "Neuen Sezession" kommen 1911 die Künstler der "Brücke" und des "Blauen Reiters" zusammen; sie bereitet dem Expressionismus in Berlin eine Bühne.

Neben seinem kunstpolitischen Engagement stellt Georg Tappert in den avantgardistischen Ausstellungen der 1910er Jahre aus und erfüllt mehrere feste Lehraufträge. Nach dem ersten Weltkrieg ist er Mitinitiator der "Novembergruppe" und erhält 1921 eine Professur an der "Staatlichen Kunstschule Berlin" an der er schon seit Jahren gelehrt hat. Unter den Nationalsozialisten verliert Georg Tappert die Lehr- und Berufserlaubnis. Seine Arbeiten gelten als "entartet" und ein großer Teil seines Werkes wird 1944 im Krieg zerstört. Um diese Zeit stellt Georg Tappert die eigene Kunstproduktion ein und widmet sich nach dem Krieg dem Wiederaufbau und der Weiterentwicklung der Berliner Hochschule für Kunsterziehung. Georg Tapperts eigenes Werk wird erst Jahre nach seinem Tod 1957 wiederentdeckt und mit umfangreichen retrospektiven Ausstellungen im In- und Ausland gewürdigt.


Tänzerin mit erhobenem Fächer
Eine Tänzerin steht an der Bühnen-Rampe. Die Figur mit dem dachziegelartig gerüschten Rock steht im Kontrapost mit keck in die Seite aufgestütztem linken Arm und erhobener Rechten in der sie einen zusammengeklappten Fächer hält. Sie schaut in das im Bild nicht sichtbare Publikum. Der Standort des Betrachters ist "back-stage", hinter ihr auf der Bühne. Am rechten Bildrand ist ein vasenartiges Art-Deko Objekt zu erkennen, das den Treppenabgang flankiert. Starkes Scheinwerferlicht bestimmt die Szene. Ein weißer, gebündelter Strahl kommt von links und trifft den Körper der jungen Frau, ohne aber ihren linken Arm zu streifen, der auf dieser vom Publikum abgewendeten Seite dunkel verschattet ist. Auch die Nase und Partien des Halses werden in dieser Ansicht nicht vom starken Licht erfasst. Dominant in diesem kaleidoskopartigen, fröhlich bunten Revue-Gemälde ist die rote Scheinwerferlicht-Scheibe, die den Kopf, Brust, (Ober-)Arme und den Fächer hinterfängt.


Theater, Revue und Kabaret im Berlin der Nachkriegszeit
Die Frauen in den Berliner Theatern, Revuen und Kabaretts vor und nach dem ersten Weltkrieg sind das zentrale Thema der Kunstwerke Georg Tapperts. Zunächst ist seine Darstellungsweise stark beeinflusst von Paul Gauguin, Henri Matisse und auch Edvard Munch. Nach dem ersten Weltkrieg setzt Tappert sich dann intensiv mit den Stilrichtungen des Kubismus und Futurismus auseinander, die er in theoretischen, schriftlichen Zeugnissen ablehnt, jedoch experimentell in seinem Werk verarbeitet. Dabei verbindet er diese zeitgenössischen Strömungen mit dem Orphismus Robert Delaunays, der das Licht als Farbe und die Wirkung des Farbspektrums malerisch gestaltete.
Das vorliegende Gemälde ist ein ganz typisches, koloristisch ungemein reizvolles Werk aus dieser Phase nach dem ersten Weltkrieg und wurde als solches in wichtigen Ausstellungen exemplarisch präsentiert. Es ist eine Vorarbeit zu diesem Bild in Pastell/Mischtechnik bekannt (vgl. Abb. 1) und Georg Tappert hat dieses besonders reizvolle Motiv auch als Radierung umgesetzt (vgl. Abb. 2).
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