Kunst im Exil: die Wittelsbacher in Sárvár, dem letzten Aufenthaltsort von König Ludwig III. von Bayern (1845 München - 1921 Schloss Nádasdy)
Auktionshaus Neumeister startet am 15. März 2021 eine besondere Auktion unter dem Titel "Kunst im Exil: die Wittelsbacher in Sárvár, dem letzten Aufenthaltsort von König Ludwig III. von Bayern (1845 München - 1921 Schloss Nádasdy)" Zum Verkauf kommen seltene Objekte aus dem Schloss Sárvár, dem letzten Aufenthaltsort von König Ludwig III. von Bayern (1845 München - 1921 Schloss Nádasdy).
Schloss Sárvár aus der Vergangenheit
Auf Kutschfahrt durch eine grüne Landschaft, die Schloss Nádasdy umgibt. Nach 1875 wird das Anwesen von den Wittelsbachern zum Mustergut ausgebaut. Es umfasst etwa 9.000 Hektar Land und beschäftigt 1.000 Personen mit ihren Familien. Zum Besitz zählen Rinder, Schweine und 40 Pferdestuten zur Halbblutzucht. Eine große Rolle spielt die Milchwirtschaft. So wurde der in Sárvár produzierte Käse bis in die Schweiz exportiert.
Der Prunksaal ist der schönste Raum des Schlosses. Die Darstellungen an der Decke zeigen sieben Schlachten gegen die Türken, die Malereien an den Seitenwänden Szenen aus dem Alten Testament.
Auf dem Schlossgut lässt es sich aushalten. Mitglieder der Wittelsbacher Familie schätzen den naturnahen, puritanischen Lebensstil – ohne auf repräsentative Pracht verzichten zu müssen.
Herzstück und Wahrzeichen von Sárvár ist Schloss Nádasdy. Ansonsten prägt das Nebeneinander klassizistischer und eher nüchterner Fassaden das heutige Antlitz der lebenswerten Stadt im Westen Ungarns.
Vielmehr lebte man hier nah an der Natur und war offen für die Sitten und Bräuche der einheimischen Bevölkerung.
Musik erfüllte die Säle des Schlosses und seine Umgebung.
Und da hat Sárvár einiges zu bieten. So war der Ort Zentrum des ungarischen Humanismus. Hiererschienen die ersten Bücher in ungarischer Sprache.
Prinz Luitpold von Bayern über Schloss Sárvár
Schloss Sárvár in Ungarn spielte für meine Familie eine wichtige Rolle. Es kam über Königin Marie Therese – aus dem Hause Habsburg-Modena-Este – 1875 in unsere Familie. König Ludwig III. und Königin Marie Therese bauten den ursprünglich etwas heruntergekommenen Besitz zu einem land- und forstwirtschaftlichen Musterbetrieb mit eigener Produktveredelung – wie zum Beispiel einer eigenen Molkerei/Käserei aus – und renovierten das Schloss. Viele Gemälde aus der Hand der Königin vom Schloss und der Region zeigen, mit welcher Freude das Königspaar Sárvár schätzte.
Nach der Revolution in Deutschland besuchte Ludwig III. Sárvár zuletzt 1921 zu einem Jagdaufenthalt; schon durch schwere Krankheit vorbelastet, starb er dort. Nach seinem Tode ging Sárvár an seinen zweiten Sohn Prinz Franz. Dieser war, wie Ludwig III., begeisterter Pferdezüchter und Landwirt.
Zu Beginn des „Dritten Reiches“ zog er mit seiner Familie ganz nach Sárvár, weil sie dort vor der NS-Diktatur einigermaßen sicher waren.
Die Kinder besuchten dort die Schule. Mein Vater, Prinz Ludwig, studierte in Sopron Forstwirtschaft. Alle sprachen perfekt ungarisch. Während der langen Zeit unter Besitz der Wittelsbacher wurden auch entsprechende Einrichtungsgegenstände, Familienbilder und Hausrat wie Familiensilber, nach Sárvár – nunmehr Hauptwohnsitz dieses Familienzweigs – verlegt.
In den letzten Kriegswochen kehrte Prinz Franz mit gefälschten Diplomatenpapieren nach Bayern zurück. Ein Teil der Pferdezucht und der Einrichtung wurde per Bahn zurückgeschickt und entkam durch viel Glück dem Bombenkrieg. Prinz Ludwig blieb bis kurz vor Eintreffen der Roten Armee in Sárvár und machte sich dann mit einem Wagentreck von 16 Gespannen auf den Weg zurück nach Bayern. Da sie nur nachts und über Nebenstraßen der Steiermark fuhren, kamen sie ohne Verluste heim.
Vor der Abreise ließ Prinz Ludwig wertvolle Gemälde und einen Teil der Kunst- und Silbergegenstände in einem Kellerraum des Schlosses Sárvár einmauern, da der Transport zu unsicher erschien. Dadurch überstanden diese Dinge den Einmarsch der Roten Armee. Erst Jahre später wurden diese Schätze entdeckt und seitdem, zum Teil als „Bayerische Sammlung“, im Museum von Schloss Sárvár, ausgestellt.
Die Familie von Prinz Franz konnte Ungarn in der Frühzeit des ungarischen Kommunismus nicht besuchen. Prinz Ludwig konnte erstmals 1983 wieder nach Sárvár. Bei dieser Gelegenheit machte er Ungarn ein beeindruckendes Geschenk: Er stiftete die Hälfte seines reinrassigen Furioso-Gestüts – über 60 Zuchtpferde – an Ungarn, um diese alte Rasse, die er in Leutstetten weiter züchtete, breiter aufzustellen. Bei seinem Besuch konnte Prinz Ludwig das gesamte Schloss besichtigen. Er erinnerte sich an alle Bäume im botanischen Garten des Schlosses und wir konnten die von ihm hinterlassenen Gegenstände besichtigen.
Da die Provenienzen der bayerischen Familienstücke, Portraits mit Wappen, Familiensilber, Nymphenburger Porzellan völlig klar zuordenbar waren, wurde über die Rückgabe verhandelt. Diese endete in einem Gerichtsbeschluss zu Gunsten Prinz Ludwigs und seines Bruders Rasso, den Erben von Prinz Franz. In den Verhandlungen, die sich über weitere 15 Jahre zogen, wurde eruiert, wie nun eine zukunftsweisende Lösung für Sárvár, das Königliche Haus und nicht zuletzt für die Vertiefung der alten Verbindung Ungarns mit Bayern aussehen könnte.
Mit viel Verständnis und Fingerspitzengefühl vermittelte Generalkonsul Gábor Tordai-Lejkó zwischen der ungarischen Staatskanzlei, dem Kulturminister, der Stadt Sárvár und unserer Familie. Der Staat Ungarn erwarb für das Museum Sárvár wichtige Gegenstände mit Bezug zu Ungarn, unsere Familie erhielt die mehr Bayern betreffenden Gegenstände zur freien Verfügung zurück.
In der Zukunft werden wir Sárvár und Ungarn bei musealen und historischen Projekten gerne unterstützen und sind dankbar, dass der Ort an dem unsere Familie in der schweren Zeit Zuflucht gefunden hat, so die gemeinsame Geschichte weiter pflegt.
Gábor Tordai-Lejkó(Generalkonsul von Ungarn in Bayern, Doyen des Konsularkorps Bayern) über Schloss Sárvár
Mir als Generalkonsul von Ungarn in Bayern ist es eine Ehre, die zur Versteigerung angebotenen Kunstschätze des Hauses Wittelsbach vorstellen zu dürfen. Sie haben einen starken Ungarn-Bezug, sodass man sagen kann: Sie sind Symbole der engen, über 1.000 Jahre zurückgehenden Freundschaft zwischen Ungarn und Bayern.
„Die bayerischen Schätze“, wie man sie in Ungarn nennt, haben eine abenteuerliche Geschichte. Sie sind vor kurzem unter aktiver Vermittlung des Generalkonsulats von Ungarn in Bayern in den Besitz der königlichen Familie von Bayern zurückgelangt. Damit wurde eine jahrzehntelange Streitigkeit mit einer flexiblen, beide Seiten zufriedenstellenden Lösung abgeschlossen. Die Schätze entstammen dem Schloss Nádasdy in Sárvár (Westungarn), das bis Ende des Zweiten Weltkrieges im Besitz der Wittelsbacher war, die Ungarn nach dem Eintreffen der Sowjettruppen verlassen mussten. Die verborgenen und eingemauerten Kunstschätze wurden später, 1952, gefunden. Ein Teil dieser Stücke ist in Ungarn geblieben und wird als hochgeschätzte Sehenswürdigkeit im Schloss Sárvár ausgestellt. Der andere, hier zur Versteigerung angebotene Teil wurde vor kurzem nach Bayern gebracht.
Ludwig III., der letzte König von Bayern, musste nach der Ausrufung der Republik 1918 aus seiner Heimat fliehen. Er starb 1921, also vor 100 Jahren, auf ungarischem Boden, in Sárvár.
Die Wittelsbacher hatten seit dem 14. enge Beziehungen zu Ungarn. Dank Eheschließungen zwischen Herrscherfamilien hatte das Königreich Ungarn mehrmals einen bayerischen König auf dem Thron. So herrschte Otto III., Herzog von Niederbayern, von 1305 bis 1307 als Béla V., König von Ungarn. Die als Sisi bekannte Kaiserin Elisabeth war von 1867 bis 1898 Königin von Ungarn.
Nicht nur das Haus Wittelsbach, sondern auch andere Magnatenfamilien hatten rege Beziehungen zu Ungarn. Eine emblematische Persönlichkeit ist Gisela von Bayern (* 985 auf Burg Abbach bei Regensburg; † 1060 in Passau), Tochter des bayerischen Herzogs Heinrich des Zänkers und Schwester des Kaisers Heinrich II. Sie war Gemahlin des ersten ungarischen Königs, Stephan I. Gisela erwarb große Verdienste bei der Christianisierung der Ungarn. Der Kult der Seligen Gisela ist in Ungarn fortdauernd und auch derzeit lebendig. Eine andere ungarische Heilige und Sinnbild tätiger Nächstenliebe, Elisabeth von Ungarn (1207 bis 1231) – oder Elisabeth von Thüringen, wie man sie in Deutschland kennt – war eine ungarische Prinzessin und deutsche Landgräfin. Ihr Vater war der ungarische König Andreas II., ihre Mutter war Gertrud von Andechs, Spross des bayerischen Adelshauses von Andechs- Meranien. Die Beziehungen zwischen der ungarischen und bayerischen Aristokratie gehören aber bei Weitem nicht nur der Vergangenheit an.
Die emblematische und allgemein bekannte Persönlichkeit des bayerischen Adels, Fürstin Gloria von Thurn und Taxis, hat auch ungarische Wurzeln: Ihre Mutter entstammt einer der bedeutendsten ungarischen Magnatenfamilien, den Széchenyis. Alle oben genannten bayerischen Persönlichkeiten sind entweder Teil der ungarischen Geschichte oder unter den Ungarn hoch angesehene und beliebte Persönlichkeiten. Sie sind wichtige Bestandteile der engen Beziehungen zwischen unseren Ländern, die zahlreiche Themengebiete berühren. Eine tragende Rolle nehmen die Handelsbeziehungen ein, die auf das Mittelalter zurückgehen, als ungarische Steppenochsen begehrte Artikel in Bayern waren. Die wirtschaftlichen Kontakte waren immer wechselseitiger Natur: In der Neuzeit fuhren zahlreiche bayerische Handwerker nach Ungarn, um ihre wirtschaftliche Tätigkeit dort auszuüben. 2019 betrug das Handelsvolumen zwischen Ungarn und Bayern 14,76 Mrd. Euro. Der Freistaat ist nicht nur bedeutender Handelspartner Ungarns, er gehört auch zu den wichtigsten Investoren:
So sind 53.000 ungarische Arbeitnehmer bei bayerischen Unternehmen auf ungarischem Boden beschäftigt. Die 100.000 Ungarn wiederum, die derzeit in Bayern leben, leisten als Beschäftigte einen wichtigen Beitrag zum Erfolg der bayerischen Wirtschaft. Auch im Bereich der Politik, der Kultur, des Hochschulwesens, der Bildung, der Religion und der zivilen Gesellschaft sind die Kontakte wunderbar vielfältig und rege.
Ich danke meinen Verhandlungspartnern aus dem Hause Wittelsbach für die gute Zusammenarbeit. Es freut mich, dass die beide Seiten zufriedenstellende Vereinbarung über die „bayerischen Schätze“ zwischen dem ungarischen Staat und dem Hause Wittelsbach den Beginn einer neuen Ära markiert. Dementsprechend rechnen wir mit einer noch engeren Kooperation´mit dem Hause Wittelsbach, das Bestandteil der ungarischen Geschichte ist, worauf wir stolz sind. Gleichzeitig danke ich auch Frau Katrin Stoll, geschäftsführende Gesellschafterin des Münchener Kunstauktionshauses NEUMEISTER, für ihr Fachwissen und ihre Hilfe, die sie im Interesse der erfolgreichen Transaktion leistete.