Barbara Rosina Lisiewska

Los 288
25.09.2024 14:00UTC +01:00
Classic
Verkauft
€ 48 000
AuctioneerKunstauktionshaus Neumeister
VeranstaltungsortDeutschland, München
Aufgeld30%
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ID 1293601
Los 288 | Barbara Rosina Lisiewska
Schätzwert
€ 20 000 – 25 000
Die Tänzerin Barbara Campanini, gen. Barbarina, als Thetis
Dreiviertelfigur vor Landschaftshintergrund. Auf der Rahmenrückseite Klebeetikett mit der transkribierten Bezeichnung "peint par R. Matthieu née Lisiewska 1755 / 26 [o. Z6]" (wohl Transkription einer Bezeichnung auf der Originalleinwand). Auf dem Keilrahmen Inventarnummer 3056 (Anhalt-Zerbst) und auf Keilrahmen und Rahmenrückseite durchgestrichene Nummerierung "N° 113". Öl auf Lwd. 146 x 109,5 cm. Doubliert. Rest. Min. besch. Rahmen besch. (151,5 x 116 cm).

Barbara Campanini, gen. Barberina bzw. Barbarina, wurde 1719 in Parma geboren (das bisher tradierte Geburtsjahr 1721 konnte durch Andrea Peregos Recherche im Taufregister korrigiert werden). Sie gilt als eine der bedeutendsten Ballett-Tänzerinnen des 18. Jahrhunderts. Ihre Ausbildung als Tänzerin erhielt sie am Teatro Farnese in Parma bei Rinaldi Fossano, mit dem sie 1739 an der Oper in Paris debütierte. Eine Besonderheit ihres Tanztalents war die Tatsache, dass sie ihre Füße bei Luftsprüngen, den "entrechats", achtmal aneinanderschlagen konnte. Selbst die vergleichbar berühmte Tänzerin Marie Camargo konnte dies nur viermal. Ihre noch junge Laufbahn setzte sie in London und Venedig fort, 1743 war sie wiederum in Paris.

In Berlin war der junge König Friedrich II. inzwischen dabei, nicht nur ein Opernhaus zu errichten, sondern auch eine Ballett-Truppe als unverzichtbaren Bestandteil eines Opernbetriebs zusammenzustellen. Schon im August 1742, noch vor Fertigstellung des neuen Opernhauses Unter den Linden, waren die ersten Tänzer aus Paris eingetroffen, darunter der Ballettmeister Michel Poitiers mit seiner Geliebten, der Primaballerina Cathérine Roland. Poitiers verlangte aus künstlerischen Erwägungen das Engagement eines kompletten Corps de ballet, ein Wunsch, welchem der König vorerst nicht entsprechen wollte. Poitiers wurde, nachdem er seinem Unmut über diese Ablehnung durch schlechtes Benehmen Luft gemacht hatte, bereits im August 1743 in Ungnade entlassen. Zusammen mit Cathérine Roland reiste er ab.

Es wurde nun der preußische Gesandte am französischen Hof, Jean de Chambrier, beauftragt, in Paris schnellstmöglich für Ersatz zu sorgen. Schon im folgenden Monat gelang es ihm, den Solotänzer Jean-Barthélémy Lany als neuen Ballettmeister zu gewinnen, zusammen mit seinen beiden Schwestern als Tänzerinnen. Lany durfte nun auch das Corps de ballet durch weitere Einstellungen komplettieren. Für Friedrichs II. Verlangen nach höchster Qualität spricht sein Entschluss, noch eine weitere Primaballerina von internationalem Rang zu engagieren: Im September 1743 verhandelte der "ministre plénipotentiare de Sa Majesté prussienne", genannter Jean de Chambrier, in Paris mit Barbara Campanini über ihr Engagement in Berlin. Es wurde festgelegt, dass sie dieses zum Ende des nächsten Karnevals antreten sollte.

Doch die Barbarina weigerte sich aufgrund ihrer frisch aufgeflammten Liebe zu Lord James Stuart Mackenzie, nach Berlin zu reisen und "flüchtete" mit ihrem Geliebten nach Venedig. Friedrich II. war empört. Sein Auslieferungsersuchen an die Republik Venedig wurde abschlägig beschieden. Kurz entschlossen ließ er den venezianischen Gesandten für London, der auf einer Reise durch preußisches Staatsgebiet war, festsetzen. Folge dieser "Erpressung" war, dass die Tänzerin unter militärischer Bewachung nach Berlin gebracht wurde. Der Lord reiste seiner Geliebten nach Berlin nach und blieb noch zwei Jahre dort - ohne Erfolg, die Liebe des Bühnenstars zu ihm war bereits erloschen.

Am 8. Mai 1744 feierte Barbara Campanini ihr Debüt an der Königlichen Hofoper. Der König war von ihr begeistert, zahlte ihr eine für damalige Zeiten sehr hohe Gage und genehmigte ihr zahlreiche Extravergütungen. Ihre Bewunderer bezeichneten sie als "fliegende Göttin". Das Haus der ebenso schönen wie klugen Barbarina wurde zum Anziehungspunkt für Künstler und Diplomaten.

1745 fertigte Antoine Pesne sein berühmtes Bildnis der Barbarina als Bacchantin in ganzer Figur (Stiftung Preussische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, Inv.-Nr. GK I 2638). Sein Format von 221 x 140 cm steht damit klassischen Staatsporträts nicht nach. Seinen Platz fand dieses Gemälde in einem Kabinett neben dem Schlaf- und Arbeitszimmer Friedrichs II., in welchem es als "Solitär" gehängt war. Es war eine große Ehre für die Tänzerin, in den persönlichen Räumen des Königs mit einem Porträt vertreten zu sein.

Am 17. Januar 1746 wurde in Berlin die Oper "Demofoonte. Re di Tracia" von Carl Heinrich Graun uraufgeführt (Libretto von Pietro Metastasio). Am Ende des ersten Aktes war hier ein ergänzendes Ballett zu sehen, in welchem die Barbarina als Thetis auftrat. Barbara Rosina Lisiewska stellt die bewunderte Tänzerin auf dem vorliegenden Porträt bei einem ihrer sagenhaften Sprünge dar: Sie ist gerade im Begriff, wieder auf dem Boden der Bühne aufzusetzen. Noch aber bewegt sie sich, ihr Haar schwingt nach oben, der Reifrock bläht sich zusätzlich. Mit diesem "Snapshot" gelang der Lisiewska ein künstlerischer Geniestreich.

Johann Conrad Peyer im Hof, ein junger Kavalier aus Schaffhausen, war bei zahlreichen Aufführungen der Hofoper im Januar 1746 anwesend und zeigte sich in seinen Aufzeichnungen beeindruckt. Er schreibt, dass jede Tänzerin dort "ihr apartes kleines Zimmer [habe], wo sie sich ankleidet. Der Barberini ihres ist tapeziert, hat keine Fenster, wird aber, wann Opera ist, ganz illuminiert." Die Kastellanin des Opernhauses zeigte Peyer bei seinem Besuch auch einige Bühnenkostüme, "zum Exempel der Barberini ihres, darin sie in Demophontes als Thetis getanzt hat." (Eckert, s. u. , S. 215).

Die Karriere der Barbarina in Berlin fand bereits 1749 ein abruptes Ende. Sie nahm auf offener Bühne den Heiratsantrag Carl Ludwig von Coccejis an, Sohn des preußischen Großkanzlers. Dieser Skandal führte zur Kündigung ihres Vertrages, der Bräutigam kam für 18 Monate ins Gefängnis. Sie heiratete ihn noch 1749 in Berlin.

Friedrich II. schickte Carl Ludwig von Cocceji schließlich als Regierungspräsidenten ins schlesische Glogau. Dort erwarb die Tänzerin drei Güter, die sie auch selbst verwaltete. 1759 erfolgte die Trennung von ihrem Mann, 1788 wurde die Ehe geschieden. Im Jahr darauf wurde die Barbarina von König Friedrich Wilhelm II. zur Gräfin Campanini geadelt. Kurze Zeit danach gründete sie ein Stift zum Unterhalt 18 lediger Damen von schlesischem Adel und einer Subpriorin. Ein Jahrzehnt lang sorgte sie für strengste Ordnung unter den Stiftsdamen. 1799 starb die Gräfin Campanini auf ihrem Gut in Barschau überraschend an einem Herzschlag. Die von ihr gegründete Stiftung für arme adelige Fräulein bestand noch mehr als 100 Jahre.

Barbara Rosina Lisiewska war das dritte Kind des Künstlers Georg von Lisiewski und Maria Elisabeth, geb. Kahlen. Anfangs war sie Schülerin ihres Vaters, früh entstanden Kopien nach Bildnissen des Antoine Pesne, führender Porträtmaler im Berlin seiner Zeit. Mit ihrem Vater ging sie als Assistentin nach Stettin, um 1730 porträtierte sie die Mutter der späteren Kaiserin Katharina II. von Rußland, Johanna Elisabeth von Anhalt-Zerbst (s. u.). Zugunsten der Ateliergemeinschaft mit ihrem Vater schlug sie 1734 einen Ruf nach Dresden aus. 1741 heiratete sie ihren verwitweten Schwager, den Berliner Hofmaler David Matthieu. Dieser starb 1755, 1756 wurde seine Witwe zur Hofmalerin des Hauses Anhalt-Zerbst berufen. Sie erhielt den Auftrag, für den "Salon de beauté" des Zerbster Schlosses einen Zyklus von 72 Bildnissen im Sinne einer Schönheitsgalerie zu malen, von denen sie - laut Literatur - 40 fertiggestellt hat. Im Jahr 1760 schloss sie die Ehe mit Ludwig de Gasc, Assessor am französischen Obergericht in Berlin, einem Freund Lessings. 1764 erfolgte der Umzug nach Braunschweig, wo unsere Künstlerin 1777 zur Hofmalerin ernannt wurde. 1765 wurde sie Ehrenmitglied der Dresdener Akademie.

Das vorliegende Gemälde wird in einer Biographie der Tänzerin bereits 1910 ausführlich beschrieben: "5° En pied, de face (Toile. H. 1,43; l. 1,07). Auteur inconnu. Pesne? (Château ducal de Zerbst). Barberine porte sur la tête une sorte de châle bleu clair garni de coquillages et de coraux. Son corsage de même couleur et sa jupe orange sont également ornés de coquillages et de coraux. Petit tablier de soie blanche. Comme fond, un paysage, ou dansent des arlequins." (Olivier / Norbert, s. u., S. 122). Vier Jahre später findet man das Porträt auf der Darmstädter Jahrhundertausstellung: Herzog Friedrich II. von Anhalt-Zerbst, Schloss Zerbst, wird hier als Leihgeber genannt und das Gemälde als Werk der Barbara Rosina Lisiewska ausgestellt.

Wir erinnern uns: Die Künstlerin hat 1756 für Schloss Zerbst den umfangreichen Auftrag erhalten, 72 Bildnisse für den "Salon de beauté" zu fertigen. 1864 wird aber im Witwensitz des Hauses Anhalt-Zerbst, Schloss Coswig, ein Gemälde genannt, das identisch mit dem jetzt angebotenen sein könnte (Parthey, s. u., Nr. 11).

Als Auftraggeberin für unser Gemälde ist Fürstin Johanna-Elisabeth von Anhalt-Zerbst zu sehen, mit der die Lisiewska seit 1730 bekannt und befreundet war. Bärbel Kovalevski interpretiert den zeitlichen Abstand zwischen der Rolle der Barbarina als Thetis im Jahr 1746 und dem Auftrag zum Gemälde im Jahr 1755, als die Tänzerin längst bei Friedrich II. in Ungnade gefallen war, einleuchtend. Sie sieht in diesem Porträt ein sich weniger auf die kurze, dennoch glanzvolle Berliner Zeit der Tänzerin beziehendes Werk, denn als Gemälde gewordenes Zeichen weiblicher Solidarität: "[...] Deuten die Jakobsmuscheln [des Kostüms] vielleicht mehr auf das unstete Leben [der Barbarina] als Pilgerin? Die Fürstin jedenfalls, die gleichfalls selbstbewusst als Mutter von Katharina II. v. Rußland, die Geschicke des kleinen Anhalt nach dem Tode ihres Gemahls und [während] der Unmündigkeit des Sohnes geleitet hatte, scheute sich nicht, mit der doch hoch bewunderten Tänzerin ein Zeichen zu setzen, sich nicht Friedrichs II. Meinung zu beu
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