ID 1337764
Los 38 | Dora Maurer. Gemini 8
Schätzwert
€ 70 000 – 90 000
MAURER, DORA
1937 Budapest

Titel: "Gemini 8".
Untertitel: Sphärische Spiegelbilder, add. und subtr. Kev. - No. 407 Yellow Shield. 2-teiliges Werk.
Datierung: 2000/04.
Acryl auf Leinwand. Auf Schichtholzplatte kaschiert. Element A: 122 x 74cm, Element B: 101
x 75cm; Installationsmaß: ø 156cm. Jeweils signiert, datiert, betitelt, nummeriert und
bezeichnet verso: maurer 2000/2004 GEMINI 8/A(bzw. B) No. 407 "yellow shield". Hier zudem
jeweils mit Angaben zur Hängung versehen.

Provenienz:
- Privatsammlung Österreich (direkt von der Künsterlin erworben)

Ausstellungen:
- Galeria Mesta Pilsen, 2004
- Puschkin Museum, Moskau 2005

Literatur:
- Ludwig Museum (Hrsg.): maurer dóra, Budapest 2008, Werk-Nr. 407, S. 301, Abb.


- Die mystische Naturerfahrung Noldes kommt in seinen leuchtenden Marschlandschaften besonders gut zum Ausdruck
- Geschlossene Provenienz
- Seine virtuose Aquarellmalerei und der gekonnte Umgang mit Farbe machen seine Werke unverwechselbar

Ein Oeuvre der Vielfalt
Dóra Maurer gilt als eine der konsequentesten Künstlerinnen der ungarischen Nachkriegskunst. In ihren Arbeiten, die Grafik, Fotografie, Film, Aktionskunst und Malerei umfassen, beschäftigt sie sich mit Themen wie Wahrnehmung, Bewegung, Verschiebung und Transformation. Trotz der Vielfalt in ihrem Werk, sowohl in Bezug auf Genres als auch Themen, zeichnet sich ihre Karriere seit den späten 1960er Jahren durch eine analytisch-mathematische und klare Herangehensweise aus. Zum einen ist die Bestrebung nach Systematisierung, die Befolgung der von der Künstlerin selbst definierten Algorithmen stets präsent. Zum anderen tritt immer wieder der Wunsch nach dem Austritt aus dem System, nach der Modifizierung oder Kündigung des ordnenden Prinzips auf. Beide Bestrebungen zielen darauf, die Möglichkeit ständiger Veränderung zu bewahren bzw. alles Fixierte, Vollendete und Endgültige zu vermeiden. Von der Beobachtung einfacher Tatsachen ausgehend, schafft sie flexible Systeme, die weiterentwickelt werden, eine Vielzahl von Variationsmöglichkeiten in sich tragen, und die die Sicherheit der Ausgangsposition für die Künstlerin bieten. Gleichzeitig wird Maurer vom selbstverständlichen Anspruch geleitet, dieser oder jener Abzweigung im System zu folgen bzw. auch zu einem früheren Zustand zurückzukehren, gegebenenfalls die Struktur radikal zu ändern. Diese Konsequenz verschaffte ihr nicht nur in Ungarn, sondern auch international Anerkennung. Ihre Werke befinden sich in renommierten Sammlungen, wie der Tate Gallery, London, dem MOMA, New York und der Albertina, Wien. 2003 erhielt sie den ungarischen Staatspreis Kossuth, 2013 den Preis Peter C. Ruppert für Konkrete Kunst in Europa.

Die "Quasi-Bilder"
Basierend auf der stetigen Weiterentwicklung von Maurers System ist für das hier angebotene Werk "Gemini 8" die Serie der "Quasi-Bilder" als wegweisend zu sehen, welche ihren Ursprung in den 1970er Jahren haben und aus der experimentellen Serie "Mengentafel" entstanden. Diese Serie befasst sich mit abstrakten, systematischen Darstellungen von Form und Farbe. Maurer entwickelte die Serie weiter und schuf systematische Diagramme, die sie in den Raum projizierte. Dieser Ansatz kulminierte in ihrer raumfüllenden und wegweisenden Wandmalerei im Schloss Buchberg am Kamp in Österreich im Jahr 1982 (vgl. Abb.). Die "Quasi-Bilder" sind seitdem ein zentrales Motiv in Maurers Werk. Ab den frühen 1990er Jahren beginnt die Künstlerin damit die zweidimensionalen Diagramme auf dreidimensionale Oberflächen, wie gekrümmte oder gebogene Flächen, zu projizieren. Zudem experimentierte sie mit der Darstellung auf Textilien und anderen unregelmäßigen Oberflächen. Diese Verzerrungen führten zu neuen Variationen ihrer systematischen und strengen Bilder. Sie untersucht zudem vermehrt vergrößerte Details ihrer Arbeiten, indem sie diese auf geometrischen Modellen ausprobiert und die Effekte von Raum und Perspektive erforscht. Ihre Werke sind dabei ständig im Wandel und reagieren auf die Einflüsse der Umgebung, wodurch sie eine ständige Veränderung in Form und Farbe erleben. Eine neue Freiheit der Form erhält Einzug in ihr Werk und es entstehen die wichtigen Werkserien wie "Overlappings", "Quod-Libet" oder auch "Hemiszferikus", welche bis in Ihr heutiges Werk weitergeführt werden.

"Gemini 8"
Die Serie der "Gemini"-Bilder, welcher das hier angebotene Werk zugehörig ist, findet ebenfalls Ihren Ursprung in den frühen 1990ern und unterliegt der Idee der Gegenüberstellungen von Bildpaaren. Zwei geformte Leinwände bilden hier ein Diptychon, welche vom Aufbau der Komposition und des Bildformats sich aneinander annähern, aber nicht identisch sind. Der ungleiche "Zwilling" bietet so der Künstlerin die Möglichkeit gerade die Themen Form und Farbe im direkten Vergleich zu kontrastieren und zu hinterfragen, sowie neue spannende Raumwirkungen auf den Betrachter zu erzielen. Während die ersten Bilder der Serie noch sehr strenge Weiterentwicklungen der "Quasi-Bilder"-Serie sind (vgl. Abb.), werden Sie über die ausgeführten Entwicklungen der 1990er Jahre vermehrt freier und dynamischer in Form und Farbgebung. Angelehnt an die "Hemiszferikus"-Werke, bei welchen Maurer die Bildträger auf einer unterliegenden globularen Rasterung (Hemisphäre) anlegt (Vgl. Abb.), ist "Gemini 8" als ein wirkungsreiches kreisförmiges Gesamtgemälde zu sehen, welches die Wand zur Vervollständigung der Komposition miteinbindet.
Gekonnt erzielt Maurer den Effekt einer aus der Wand herausragenden Kugel durch die optische Täuschung des gekrümmten Bildträgers in Verbindung mit den farblich changierenden Vierecken, welche sich die Bildfläche aufteilen. 2006 übersetzt Maurer Josef Albers' theoretisches Werk "Interaction of Color" (1963), in welchem er Farbbeziehungen äußerst prägnant und verständlich analysiert, ins Ungarische. Es ist eine wichtige Referenz für die späteren Werkserien Maurers, in welchen eine tiefergehende Auseinandersetzung mit dem Thema Farbe omnipräsent ist. Bei "Gemini 8" ist die Gegenüberstellung der zwei farblich minimal divergierenden Bildelemente und die daraus resultierende Gesamtwirkung interessant. Maurer erzielt hier die Illusion von Transparenz und einfallendem Licht, indem sie den dunklen Grundfarben des einen Elements eine Einheit Weiß für die Anlage des anderen Elements hinzufügt. Eine Weiterentwicklung der albersschen Beispiele ist, dass Maurer die Illusion von Raum verstärkt, indem sie die Farbsegmente entlang der imaginären Außenhülle einer Erdkugel biegt. So lässt "Gemini 8" für den Betrachter Assoziationen weit über die rein analytisch-geometrische und farbliche Wirkung hinaus zu. Am Ende hinterfragt die Künstlerin nämlich auch die Grundordnung und Aufteilung der Welt.
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