ID 1337740
Los 26 | Pablo Picasso. Pomme et Verre
Schätzwert
€ 350 000 – 500 000
PICASSO, PABLO
1881 Malaga - 1973 Mougins

Titel: Pomme et Verre.
Datierung: 1923.
Technik: Öl und Sand auf Leinwand.
Maße: 22,5 x 28cm.
Bezeichnung: Signiert und datiert unten rechts: Picasso 23.
Rahmen/Sockel: Modellrahmen.


Provenienz:
- Paul Rosenberg, Paris
- Jaques Helft, Paris, New York und Buenos Aires
- Sotheby's London, Auktion 27.11.1995, Lot 36
- Sammlung Konrad Klapheck, Düsseldorf
- Privatsammlung Deutschland

Literatur:
- Zervos, Christian: Pablo Picasso - Vol. 5, Works from 1923 to 1925, Paris 1952,
WVZ.-Nr. 68, Abb.

- Seltenes Gemälde Picassos auf dem deutschen Auktionsmarkt
- Aus dem ehemaligen Vorbesitz Konrad Klaphecks
- Das Stillleben zeigt eine grundlegende Weiterentwicklung von Picassos einzigartigem Zugang zum Kubismus


"Picasso spielte in unserer Familie eine große Rolle. Schon meine Großmutter besaß eine Picasso-Radierung. Unser Vater hat in den Urlauben Literatur zu Picasso gelesen. Dieses Stillleben, das seit 1995 in seinem Besitz war, liebte er sehr."
(Elisa Klapheck, Tochter von Konrad Klapheck)


Aufbruch in die Deformation
Obwohl sich Pablo Picasso 1923, im Entstehungsjahr von "Pomme et Verre", bereits vom Kubismus abgewendet hatte, ist das Werk noch stark von dieser epochalen Stilrichtung geprägt. Als Gründer und Hauptvertreter des Kubismus hat Picasso gemeinsam mit Juan Gris eine radikale Sichtweise in der Wiedergabe der Realität eingeführt und die Ablösung von der traditionellen Kunst vorgenommen.

Schon mit seinem bahnbrechenden Werk "Demoiselles d´Avignon" (1907) hatte Picasso den Bruch mit den seit der Renaissance befolgten Gesetzmäßigkeiten der Perspektive vollzogen und die Figuren in geometrische Elemente zergliedert. Beeinflusst von archaischer Kunst, afrikanischer Plastik und den Kompositionsprinzipien von Paul Cézanne, der zur Naturdarstellung einfache Formen wie Zylinder, Kugeln und Kegel verwendete, begann Picasso im analytischen Kubismus die Einheitlichkeit der geschlossenen, einem einzelnen Fluchtpunkt unterworfenen Form aufzubrechen und das Körpervolumen in vielfache Facetten aufzufächern. Die systematische Auseinandersetzung mit dem Gegenstand erforderte die Zerstörung seines naturgetreuen Abbildes, gleichwohl ergab die Darstellung ohne illusionistische Täuschung eine notwendige Deformation (Abb. 1). Aus der zentralperspektivischen Figurenauffassung befreit, erscheinen die einzelnen Binnenformen eines Körpers nun wie rhythmisierte kubische Splitter und entfalten eine eigene, von der perspektivischen Ordnung gelöste, Dynamik im Bildraum.
Auf dieser Grundlage vollzieht Picasso mit seinen Künstlerkollegen Georges Braque und Juan Gris einen weiteren Schritt im synthetischen Kubismus. Hier vollzieht sich die lose und kompositorisch ungezwungene Anordnung dieser befreiten Bildelemente: die Verselbständigung der Facetten, der Splitter.

Eigenständige Fragmente und Bildzitate
In Collagen erlangen sie durch die Einbindung von etwa Papier, Zeitung, Tapete, imitierte Holzmaserung, Sägespäne und Sand eine reliefartige Oberfläche. Mit dieser zunehmend eigenständigen Existenz und der damit einhergehenden Aufhebung des konventionellen Figur-Grund Verhältnisses eröffnen sie eine zusätzliche Dimension: In den Vordergrund tritt die objekthafte, materielle Realität des Bildes.

Die Komposition "Pomme et Verre" ist weder perspektivisch strukturiert noch malerisch modelliert. Stattdessen liegen die schablonenhaften Bildelemente nebeneinander wie fragmentierte Farbfelder. Aufgrund der ununterscheidbaren Durchdringung von Vordergrund und Hintergrund verschränken sich die teils schwer erkennbaren Komponenten des Stilllebens in der Fläche: Silhouettenhaft heben sich Teller und Kanne als ein durch Sandkörner strukturiertes Feld in Grau vom Braun der Tischplatte und des Tabletts ab, die von einem nicht näher bestimmbaren Himmelblau atmosphärisch hinterfangen werden. Auf diesem Feld wiederum treten - wie aufgeklebt - Apfel und Glas hervor. Jegliches Volumen der Fläche gewichen, sind ihre stark vereinfachten Formen mit wenigen schwarze Linien auf den ausschnitthaften Grund gesetzt, der hier zwischen Rot und Grün changiert und dort rein weiß gehalten ist. Dadurch wirken sie eher wie abstrahierte Zeichnungen: Ist das dargestellte Glas ein Glas oder vielmehr die Zeichnung eines Glases? Das uneindeutige "Bild im Bild" Zitat lässt den Bezug zur Realität verschwimmen. In diesem mit spielerischer Souveränität auf das Wesentliche beschränkten Stillleben verdeutlicht Picasso, dass die Realität des Bildgegenstandes nicht nur von der Realität des Gegenstandes abweicht, sondern auf der Darstellungsebene selbst bloße abstrakte Andeutung und damit uneindeutig bleibt.
Bettina Haiss.
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