Eine Kugel als Mahnmal
In den 1960er Jahren, als Fritz Koenig bereits als Künstler in den USA etabliert war, wurde Minoru Yamasaki, der Architekt des World Trade Centers, auf ihn aufmerksam. Nachdem er dessen Arbeiten in der George W. Staempfli Gallery in New York gesehen hatte, bat er Koenig, eine Brunnenanlage für den Platz zwischen den Zwillingstürmen des World Trade Centers, die sich an der Südspitze Manhattans gerade im Bau befanden, zu entwerfen. 1967 erhielt Koenig offiziell den Auftrag der Port Authority of New York and New Jersey, dem Bauherr des neuen Welt handelszentrums.
Erstellt wurde der stilisierte XXL-Globus Ende 1968 bis Ende 1971 in Ganslberg bei Landshut, wo sich Fritz Koenigs Gehöft und Atelier befanden. Der Künstler erstellte in dieser Zeit verschiedene Karyatiden, doch der New Yorker Auftrag wurde zur besonderen Herausforderung. Denn um die größte Bronzeskulptur der Neuzeit zu erstellen, brauchte es ziemlich viel Platz. Und so wurde für die raumgreifen den Arbeiten eine neue Atelierhalle errichtet. Außer dem brauchte Fritz Koenig Manpower. So wurde er bei der Anfertigung des Kunstwerks tatkräftig von Josef Plankensteiner, einem Südtiroler Bildhauer, unterstützt. Nach vier Jahren Planung und Herstel lung wurde die „Große Kugelkaryatide NY“ schließ lich in einer eigens angefertigten, gigantischen Holzkiste per Schiff von Bremen über den Atlantik nach New York gebracht. Dort wurde Fritz Koenigs berühmtestes Werk 1971 als Teil einer technisch hoch komplexen Brunnenanlage zwischen den Zwillings türmen auf dem Vorplatz des World Trade Centers installiert und wenig später feierlich enthüllt. Fortan avancierte das gold- und bronzeschimmernde Brunnen-Kunstwerk zum beliebten Treffpunkt der Mega-Metropole — bis zum 11. September 2001. Wie durch ein Wunder überstand Koenigs Artefakt den Terroranschlag. Schwer beschädigt, aber weitest gehend intakt konnte es aus den Trümmern der eingestürzten Twin Towers geborgen werden.
Im Inneren der aufgerissenen Skulptur fand man Fragmente der Flugzeugwracks. Wenige Tage nach dem Anschlag flog Fritz Koenig nach New York und kam am Ground Zero bis auf wenige Meter an seine Skulptur heran. „Jetzt hat sie eine andere Schönheit, eine, die ich mir nie vorstellen konnte. Sie hat nun ihr eigenes Leben — ein anderes als jenes, das ich ihr gegeben habe“, wird er seine Eindrücke später in einem Dokumentarfilm von Percy Adlon schildern. Heute steht die riesige Bronzekugel, weitgehend un restauriert, als bedeutendes 9/11-Mahnmal unweit ihres ursprünglichen Standortes im Liberty Park des neuen World Trade Center-Geländes. Das Kunstwerk wurde zum Mahnmal.