Claus Strigel. Marientafel, 1495-1510

Glaubenssachen

Beide Tafeln sind gleich große Ausschnitte aus Flügeln eines Klappaltares. In unserem Fall sind die Rückseiten original erhalten. Sie weisen brokatierten Goldgrund auf, der auf die Verwendung dieser Seiten als ehemalige Festtagsansichten des Altars verweist. Als Aussparungen im Goldgrund sind die Silhouetten dort ehemals angebrachter geschnitzter Reliefs zu erkennen. Es finden sich noch die Bohrlöcher, in welchen die Reliefs mit Hilfe von Holzdübeln befestigt waren. Auf der vom Relief ursprünglich bedeckten Fläche der Marientafel sind Farbübungen in Form von zwei Blüten und einem Mäanderband zu sehen.

Claus Strigel. Marientafel, 1495-1510Claus Strigel. Marientafel, 1495-1510

Beide Tafeln wurden im Laufe der Zeit bezüglich ihrer Dimensionen verändert. Die Szenen stellten in ihrer ursprünglichen Anbringung einen Innenraum dar, der im Hintergrund den Ausblick auf eine Landschaft mit Gebäuden freigibt. Die Gemälde müssen sich in ihrem heutigen Erhaltungszustand in der Höhe versetzt vorgestellt werden, damit der Fenstersims auf beiden Tafeln in gleicher Höhe verlaufen kann (vgl. die Abbildungen). Die Künstlerfamilie Strigel, tätig als Wand- und Tafelmaler sowie Bildschnitzer, ist in Memmingen zwischen 1416 und 1528 nachweisbar. Die Strigels waren produktiv, ihre Werke fanden nicht nur in ihrer Heimat breiten Absatz, auch nach Graubünden, Österreich und bis nach Rom wurden sie geliefert. So haben sich in Graubünden mehr als 32 Retabel der Strigels erhalten. Im spätgotischen Kunstbetrieb Schwabens stellte die Strigel-Werkstatt den beherrschenden künstlerischenMittelpunkt dar, man kann sagen, dass an die Strigels alle wichtigen Aufträge vergeben wurden.

Claus Strigel. Marientafel, linke Tafel, 1495-1510Claus Strigel. Marientafel, linke Tafel, 1495-1510

Claus Strigel. Marientafel, rechte Tafel, 1495-1510Claus Strigel. Marientafel, rechte Tafel, 1495-1510

Zur verzweigten Familie gehörte auch Claus Strigel, allerdings lassen sich seine verwandtschaftlichen Beziehungen bislang urkundlich nicht exakt nachvollziehen. Bernd Konrad zitiert in seinem Gutachten zwei 1989/90 publizierte Einträge in den Steuerbüchern Memmingens aus den Jahren 1450 und 1451. Dort wird ein „Claus Mauller“ bzw. „Clauß Mauller“ genannt. Die Bezeichnung „Mauller“ meint die Berufsbezeichnung „Maler“. Das einzige von Claus Strigel im Jahr 1500 signierte Werk (die Einordnung als authentische Signatur wurde und wird in der Forschung immer wieder diskutiert), auf welchem er sich als „Magister“ (Meister) bezeichnet, befindet sich heute in der Münchner Frauenkirche: Die Tafeln und Reliefs, 1863 von der Priesterbruderschaft erworben, werden im Chorumgang hinter dem Hochchor gezeigt. Der Überlieferung nach stammen die Arbeiten aus der Spitalkirche St. Peter und Paul in Memmingen. Stilkritischer Vergleich mit dem Memminger Altar in München, aber auch mit einem Retabel im Historischen Museum Basel, lässt Bernd Konrad zu dem eindeutigen Schluss kommen, dass auch die hier angebotenen Tafeln von der Hand des Claus Strigel stammen. Bernd Konrad datiert die beiden Tafeln in die Zeit um 1495/1510.

Das NEUMEISTER Magazin No. 13/24

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