Fake vom Feinsten
Die Biccherna war eine der wichtigsten Finanzverwaltungen der Republik Siena. Der Name leitet sich vom Blachernen-Palast in Konstantinopel ab, Residenz der byzantinischen Kaiser und Wohnsitz der lateinischen Kaiser. Der Name Biccherna wurde auch für die mit religiösen und zivilen Szenen sowie Porträts bemalten Tafeln, mit denen die Kontobücher der Biccherna gebunden waren, verwendet. Nach dem Ende einer Mandatsperiode wurden die Unterlagen der jeweiligen Amtsperiode mit einem aufwendig gestalteten Holzumschlag versehen und zusammengebunden. Fast alle Tafeln der Biccherna werden im Staatsarchiv von Siena aufbewahrt.
Für Icilio Federico Joni wären diese Tafeln der Biccherna auf Wunsch sicherlich zugänglich gewesen. Im Rahmen seiner Tätigkeit als Fälscher verließ dieser sich jedoch lieber auf seine blühende Phantasie als dass er sich an konkreten Vorbildern abarbeitete. Joni ging bei einem Vergolder in die Lehre. 1878 erfolgte seine Aufnahme als Student in das Istituto d’Arte in Siena. Ein Schwerpunkt der damaligen Lehre lag bei den „Primitivi“, den Meistern des italienischen Mittelalters. Der Markt für Kunstwerke aus dieser Zeit blühte und ab 1880 setzte Joni seine Fähigkeiten diesbezüglich ein, anfangs noch als Restaurator, später aber als Hersteller von Werken im Stil der Alten Meister. Anfangs imitierte er noch kleinere Objekte wie z.B. Biccherna-Tafeln und Schmuckkästchen, später schuf er auch großformatige (oder auch kunstvoll fragmentierte) Tafelbilder. Federico Jonis Arbeiten wurden gut verkauft, selbst renommierte Kenner der Materie erkannten seine Fälschungen nicht. Allmählich trat neben die Anerkennung als sachkundiger Restaurator auch der Ruf eines äußerst fähigen Fälschers.
Als man Federico Joni zum Superintendenten des Istituto d’Arte in Siena ernannte, erregte dies Staunen, denn mit diesem Amt war auch die Verantwortung über die dortige Sammlung Alter Meister verbunden ... Nach drei Jahren musste Joni von diesem Amt zurücktreten. Später wurde er als Lehrer für Alte Malerei und Pastiglia- Dekoration wieder an das Istituto berufen.
1932 ließ Federico Joni selbst die „Bombe platzen“: Er veröffentlichte seine Autobiographie „Le memorie di un pittore di quadri antichi“ („Erinnerungen eines Malers alter Bilder“). Diese Lebenserinnerungen schildern nicht ohne Ironie die Sieneser Gesellschaft seiner Zeit und sind voll von Anekdoten aus dem Leben und zu den Werken Jonis. Nach diesem druckgelegten „Outing“ war es Joni möglich, seine Arbeiten weiterhin (und nun legal) zu verkaufen.
Eine Besonderheit von Joni war, dass er seine Bilder mit einem Akronym signierte: „Paicap“. Dieses steht für „Per andare in culo al prossimo“, eine Formulierung die hier nicht übersetzt werden soll. Dennoch fragt man sich, auf was oder wen sich dieser „deftige“ Spruch bezieht: Sind die Adressaten am Ende die vermögenden, dennoch unwissenden Käufer der Fälschungen? Oder handelt es sich um eine ironische Aufforderung an Jonis kreatives „Ich“ oder aber um einen Reflex auf bittere Erfahrungen, die Federico Joni in seinem Leben vielleicht mehr als andere seiner Zeitgenossen zu machen hatte?
Das NEUMEISTER Magazin No. 13/24