ID 1135
Лот 1590 | MUSEALER ROKOKO PULTSEKRETÄR. Neuwied. Um 1765-68. Abraham Roentgen.
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€ 80 000
Neuwied. Um 1765-68. Abraham Roentgen.
Eiche, Nussbaum und Nadelholz. Nussbaum, gefärbter Ahorn, Königsholz, Amaranth eingelegt. Eisen, Messing, teilweise vergoldet. Feiner, grazil gebauter Korpus mit geschweiften Seiten, Front und Zargen, versehen mit einer geneigten, klappbaren Schreibplatte. Die geschwungenen Beine, endend in den für Roentgen typischen Huffüßen mit Fellpartie, gehen nahtlos in die ausladend geschweifte, gebauchte Zarge über. Der große Schubkasten mit gelipptem Rand. Die äußerst aufwendig gearbeitete Marketerie zeigt Rocaille-Motive sowie detailreiche florale Ornamente, die teilweise durch Blütenpollen aus eingeschlagenen, geschwärzten Holzdübeln vollendet werden. Marketerie mit Ausnahme der Rückseite allseitig. Innseitig flankieren drei geschweifte Schübe den zentralen, zart gebauchten Schub. Darunter ein offenes Fach. 94x98x62 cm. Rückseitiger Vermerk ‘G4’. Zustand A/B.
Provenienz:
- Kunsthandel Fischer-Böhler, München (1970er Jahre).
- Privatsammlung München.
Literatur:
- Dietrich Fabian: Abraham und David Roentgen. Bad Neustadt/Saale 1996. Das Möbel ist aufgeführt und abgebildet auf S. 97 Nr. 207.
- Dietrich Fabian: Abraham und David Roentgen. Von der Schreinerwerkstatt zur Kunstmöbel-Manufaktur. Bad Neustadt/Saale 1992. Das vergleichbare Möbel der Sammlung Schönborn auf Schloss Pommersfelden ist abgebildet auf S. 18 Tafel 36 und 37. Ein anderer Typus auf S. 19 Tafel 39.
- Hans HutHöhe: Roentgen. Abraham und David Roentgen und ihre Neuwieder Möbelwerkstatt. München 1974. Das vergleichbare Möbel von Schloss Wiesentheid ist abgebildet auf Tafel 17, ein anderer Typus auf Tafel 35.
Charakteristisches Merkmal einer Gruppe von Möbeln, die Abraham Roentgen in den 1750er und 1760er Jahren schuf, und in die sich der hier angebotene Pultsekretär einfügt, ist die organische Gestaltung, die durch weich schwingende Linien und Formen, die Verwendung von geschnitzten Tierbeinen als Träger des Möbelkörpers sowie die ungewöhnliche Verbindung der Beine mit diesem erreicht wird.
Die aus massivem Nussbaum modellierten Pferdebeine mit Hufen und fein geschnitzten Fellpartien laufen sichtbar in den Möbelkörper und werden dort seitlich von Furnieren überlappt. Dadurch entsteht der Eindruck, die Beine seien »aus dem Korpus gewachsen«, - eine wohl durch Abraham Roentgen eingeführte Innovation, die das Organische dieser Möbelgruppen noch unterstreicht und für die sich weder an englischen noch an französischen Möbeln Vergleichsbeispiele finden.
Einige Möbel dieser Gruppe haben sich auf Schloss Weissenstein in Pommersfelden erhalten. Sie stammen aus verschiedenen Zweigen der Familie Schönborn. Ein sehr ähnlicher Pultsekretär befand sich 1928 auf Schloss Wiesentheid. Er dürfte etwas früher, um 1755-1760, entstanden sein. Gestalterisch entspricht das Eingerichte dem des hier angebotenen Pultsekretärs. Die Beine und die Zarge des Wiesentheider Modells sind mit Beschlägen geschmückt, worauf bei einem nussbaumfurnierten Möbel dieses Typs, ehemals im Schönbornschen Schloss Weiler befindlich, verzichtet wurde.
Gegen Ende der 1760er Jahre setzte sich zunehmend die Marketerie-Technik durch, bei der ganze Möbelflächen mit zuvor zusammengesetzten Bildmotiven furniert wurden. Auch wurde nun zunehmend »à la mosaique« gearbeitet, eine neue Arbeitsweise, bei der die Bildmotive »puzzleartig« aus in verschiedenen Farben durchgebeizten Furnieren zusammengesetzt und als Ganzes aufgeleimt wurden.
Die Einlegearbeiten des hier angebotenen Pultsekretärs lassen auf eine Entstehung zwischen 1765 und 1768 schließen. Die traditionelle Intarsien-Technik steht in höchster Blüte und zeigt noch keinerlei Einflüsse des aufkommenden Klassizismus. Auch die Form des von Abraham Roentgen entwickelten Möbeltyps entspricht noch ganz dem nach englischem Geschmack ausgebildeten gemäßigten Rokoko.
Der hier vorgestellte Pultsekretär stellt eine reife Ausführung eines von Abraham Roentgen in den 1750er Jahren entwickelten Möbeltyps dar. Gute Proportionen und perfekte Verarbeitung zeigen die reichliche Erfahrung der Werkstatt mit diesem Modell. Parallel zur Entwicklung der Form reift in diesen Jahren auch die bereits zuvor beschriebene Technik der Einlegekunst, sodass sich auch diese in höchster Blüte zeigt. Der Pultsekretär steht am Ende des Rokoko, der Hochzeit des Schaffens von Abraham Roentgen, und veranschaulicht in würdiger Weise, wofür er mit seiner Werkstatt berühmt wurde: gute Formen, perfekte Verarbeitung und unübertroffene Intarsien.
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